Ministerin Aigner setzt derweil darauf, die Bevölkerung über die Gefahren von dickmachenden Lebensmitteln aufzuklären. Erfolge dieser Methode sind zu verzeichnen: Ein vor kurzem veröffentlichter Ernährungsbericht belegt einen Rückgang von übergewichtigen Kindern bei der Einschulungsuntersuchung. Global betrachtet liegt Deutschland damit im Mittelfeld, auf Platz 22 des neuesten OECD-Berichts, der uns schlechtere Ergebnisse bescheinigt als Neuseeland, Kanada und den USA. Bei den Erwachsenen zeigt sich das gleiche Bild.
Die Ursachen für Übergewicht sind so komplex, dass eine simple Steuer kaum in der Lage ist, dagegen wirkungsvoll vorzugehen. Deshalb ist die Skepsis der Verbraucherschützer begründet, wenn es um Sondersteuern auf Salz oder Zucker geht. In den Augen von Jutta Jaksche – Verbraucherzentrale Bundesverband Berlin – sei das so etwas wie die zweitbeste Lösung. Sie wünscht sich stattdessen, dass die Industrie endlich umdenkt und gesündere Nahrungsmittel produziert. Sie bezeichnet Steuern trotzdem als richtigen Weg, der zumindest Signalwirkung zeige.
Zeitknappheit – auch beim Essen
Die Verantwortung liege nach wie vor bei der Industrie, und hier zeigt sich das Dilemma, weil an ungesunden Lebensmitteln am meisten verdient werde. Eine gesunde Ernährung besteht obendrein nicht nur aus dem Konsum nichtschädlicher Lebensmittel, sondern betrifft die gesamte Lebenswelt des Bürgers. Derweil haben viele Menschen kaum die Zeit dazu, sich ausgewogen zu ernähren und außerdem fehlt regelmäßige Bewegung. Sogar Kinder zeigen schon Symptome, die darauf hinweisen, dass bei In- und Output ein schlechtes Verhältnis herrscht. Naturgemäß lehnt die Lebensmittelindustrie Steuern auf fettige und süße Produkte ab. Währenddessen sieht der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde keine Alternative und befürwortet zusätzliche Abgaben, um Übergewicht einzudämmen. Im Vordergrund stehe nach wie vor, dass manche Menschen ihre Ess- und Lebensgewohnheiten überdenken müssten. Und das sei nur möglich, wenn sie aufgeklärt und gebildet werden – und nicht durch staatliche Bevormundung erzwungen werde.
Der mündige Bürger findet Mittel und Wege
Eine Steuer träfe vor allen Dingen die Geringverdiener, wie der Spitzenverband der deutschen Lebensmittelwirtschaft zu bedenken gab. Bestimmte Produkte mit einer Sonderabgabe zu versehen, entbehrt jeder wissenschaftlichen Grundlage. Gleichzeitig sei das Vorgehen mit einem Angriff auf den „mündigen Bürger“ vergleichbar. In Dänemark wollte man gegen ungesunde Fette vorgehen. Das Land führte als weltweiter Vorreiter eine Steuer auf gesättigte Fettsäuren ein. Für ein Kilogramm dieser Fettsäuren erhob die Regierung 2,15 Euro als Sondersteuer – Folglich stiegen die Preise für Margarine, Milchprodukte und Fleisch.
Aber die Steuer verfehlte ihre Wirkung, weil der Druck seitens der Lebensmittelindustrie zu hoch war und die dänischen Bürger einfach über die Grenze nach Deutschland fuhren, um einzukaufen. Deshalb schaffte das Land die Fettsäuresteuer wieder ab und verwarf obendrein die Pläne zur angedachten Zuckersteuer. (LB/BHB)