Derzeit liegt bei dem Bau von Großprojekten einiges im Argen. Angefangen beim Berliner Großflughafen BER, machen auch das Stuttgarter Bahnhofsprojekt und die Hamburger Elbphilharmonie große Probleme. In der Vergangenheit geriet schon der Neubau von Hallen auf dem Kölner Messegelände zum Skandal, ganz zu schweigen von mancher Landesbank, die zur Zeit der Finanzkrise unter faulen Krediten zusammenbrach. Öffentliche Unternehmen sind dauerhaft von Affären bedroht. Allen anderen voran werden dann Politiker zur Zielscheibe der entflammenden Debatte. Weil sie in den Aufsichtsräten sitzen, wirft man ihnen vor, dass sie die betroffene Firma nicht gut beaufsichtigt haben.
Hier kann vermutet werden, dass die Belastung einzelner Politiker zu hoch ist, da – allen vorweg – die Minister der Länder zu viele Aufsichtsratsmandate übernehmen. Besonders Finanz- und Wirtschaftsminister der einzelnen Bundesländer werden in sehr vielen Aufsichtsräten der halböffentlichen und öffentlichen Unternehmen angetroffen. Das sind Versorgungsbetriebe und Landesbanken, aber auch Flughafengesellschaften. Nicht selten addieren sich zum Ministeramt weitere fünf Mandate für Aufsichtsräte.
Ein fleißiger Sammler von Aufsichtsratsposten ist der SPD-Mann Nils Schmid. In Baden-Württemberg ist er Wirtschafts- und Finanzminister in Personalunion und gleichzeitig Verwaltungsrats- oder Aufsichtsratsvorsitzender dreier Unternehmen. Das sind die Landesagentur für Elektromobilität, die Landes-Förderbank und die Wirtschaftsförderung. In der Landesbank hat er die Stelle des stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden inne, während er als einfaches Mitglied zusätzlich die Staatsbank KfW und das Energieunternehmen EnBW beaufsichtigt.
Sechs Aufsichtsräte bekleidet auch der saarländische Wirtschaftsminister Heiko Maas, SPD. Markus Söder, der bayerische Finanzminister aus der CDU, beschäftigt sich nebenbei in vier Unternehmen in der Position des Aufsichtsratsvorsitzenden. In zwei dieser Unternehmen hat er die Funktion des einfachen Verwaltungs- oder Aufsichtsratsvorsitzenden inne. Hingegen ist Matthias Platzeck, der neu gewählte Aufsichtsratsvorsitzende des Hauptstadtflughafenprojekts BER, ansonsten nicht derart ausgelastet.
Die adäquate Ausfüllung solcher Posten durch Politiker ist in den Augen des Wirtschaftswissenschaftlers Manuel Theisen kaum möglich, weil die meisten Politiker keine Kompetenz, noch Lust und Zeit mitbrächten. Immerhin sei die Arbeit, die mit einem Aufsichtsratsmandat einherginge, so umfangreich, dass man gut 20 Arbeitstage im Jahr dafür veranschlagen müsse. Bei einem Aufsichtsratsvorsitz müsse gut die doppelte bis dreifache Zeit investiert werden. Bei der Ausfüllung von zwei Aufsichtsratsämtern als einfaches Mitglied und zweien als Vorsitzenden, kommt eine Arbeitsbelastung von 200 Tagen im Jahr zustande.
Aus diesem Grund sind Unternehmen schon längere Zeit dabei, sich umzuorientieren: Immer seltener sitzt ein- und derselbe Mensch in mehreren Aufsichtsräten. Kommt das doch vor, handelt es sich dabei jedoch in der Regel um keine hauptamtlichen Vorstände. Wenn überhaupt nehmen Berufs-Aufsichtsräte diese Funktion noch ein. In einer volkswirtschaftlichen Studie, die 2010 durchgeführt wurde, wie auch bei der Aufsichtsratsstudie der Kleinanlegergemeinschaft DSW, konnte festgestellt werden, dass vor drei Jahren nur wenige Manager bis zu sechs Mandate gehalten hatten. Diese Mandatsträger mussten – im Gegensatz zu den Politikern – nicht noch ein Land regieren oder ein Unternehmen leiten.
Die Minister der Bundesregierung sind auch nicht in diesem Maße eingebunden, weil sie ihre Aufsichtsratsaufgaben häufig an Abgeordnete, Staatssekretäre oder Ministerialbeamte abgeben. Im Falle des niedersächsischen Finanzministers Hartmut Möllring, der der scheidenden Regierungskoalition von CDU und FDP angehört, ist der Arbeitsaufwand des Ministers für seine fünf Aufsichtsräte – davon leitet er einen – mit zwei Arbeitstagen pro Monat für jeden Aufsichtsrat durch einen Sprecher veranschlagt worden. Hingegen mahnt Renate Künast von den Grünen sachlich an, dass ein Aufsichtsrat in der Lage sein müsse, die gegenwärtige Geschäftspolitik des jeweiligen Unternehmens kontrollieren zu können. Könne dieser Pflicht jemand nicht nachkommen, sei der Aufsichtsrat der falsche Posten für ihn. (LB/BHB)