Wellen, Strömungen, Gezeiten - sie halten die Wassermassen auf unserem Planeten in andauernder Bewegung. Moderner Umweltschutz kann die enthaltene Energie nutzen, um daraus Strom zu produzieren. Das in London beheimatete World Energie Council schätzt, dass die prinzipiell nutzbare Energiemenge – in elektrischen Strom umgewandelt – 2000 Terawattstunden im Jahr beträgt, was dem Dreifachen des deutschen Jahresverbrauchs entspricht.
Der Weltenergierat glaubt, damit 250 Millionen Menschen einen Zugang zu erneuerbarer Energie ermöglichen zu können. Von dort heißt es, dass Gezeitenkraftwerke und Einrichtungen, die die Meeresströmungen in Elektrizität umwandeln, schon bald ihren Anteil beisteuern werden, wenn es um den Ausbau der erneuerbaren Energien geht.
Das Prinzip solcher Kraftwerke unterscheidet sich nicht von der Windkraft. Ihre Einsatzmöglichkeiten sind überall dort, wo Flut und Ebbe am küstennahen Bereich Strömungen erzeugen. Hinzu kommt, dass Wasser eine weitaus bessere Energiedichte als Luft aufzuweisen hat. Sie liegt rund 800 Mal höher. Deshalb kann der Strom auch ungleich effizienter produziert werden. Energieexperten glauben an eine Leistungsausbeute von 1,5 Terawatt. Das entspricht der Leistung von 1000 Atomkraftwerken.
Schon im Jahr 1967 sammelten Entwickler aus Frankreich mit dem Gezeitenkraftwerk La Rance erste Erfahrungen. In der Bretagne mündet die Rance nahe St. Malo in den Atlantik. Das Kraftwerk ist dazu gebaut, den Tidenhub auszunutzen, der zwischen 12 und 16 Metern liegt. Bei Flut strömt das Wasser durch 24 Turbinenrohre in die Bucht. Sie wird mit einer Staumauer vom übrigen Wasserdurchfluss befreit. Ist auf beiden Seiten ein gleiches Wasserniveau, werden die Rohre geschlossen. Sinkt der Pegel, vollzieht sich das Schauspiel in entgegengesetzter Richtung.
Keine exotische Technik: Rohrturbinen werden auch in Speicherkraftwerken eingesetzt
In einem Jahr gibt das Gezeitenkraftwerk etwa 600 MillionenKilowattstunden an Elektrizität ab, was für eine Stadt mit 150 000 Haushalten ausreicht. Die gleiche Leistung vollbringen 300 Windräder. Lange Zeit war es das größte seiner Art, doch vor zwei Jahren wurde es von einem Gezeitenkraftwerk in Südkorea dieses Titels enthoben.
Es liegt nahe Sihwa-ho in der Asan-Bucht unweit der Hauptstadt Seoul. Seine Gesamtleistung erreicht 254 Megawatt, wobei es allerdings nur das einströmende Wasser ausnutzt. Fließt es bei Ebbe wieder ins Meer zurück, wird kein Strom gewonnen. Auch hier kommen Rohrturbinen zum Einsatz, wie sie seit vielen Jahren auch im Bereich der Speicherkraftwerke für die Energieerzeugung verbaut werden.
Fernab der Küste betreuen die britischen und deutschen Ingenieure des Forschungsprojekt „Seaflow“, das vom britischen Unternehmen Marine Current Turbines unterhalten wird. Im Jahr 2003 haben sie im Bristolkanal vor der Küste Cornwalls das erste Meeresströmungskraftwerk in Betrieb gesetzt.
Andauernde Unterwasserkraft
Das System besteht aus einem Rotor, der einen Durchmesser von elf Metern hat und an einem Stahlturm mehrere Meter unter Wasser montiert ist, der wiederum auf dem Meeresboden fest verankert ist. An der gewählten Stelle hat das Wasser eine Tiefe von 50 Metern, wo es einen Rotor antreibt, der sich in beide Richtungen drehen kann. Dadurch eignet er sich zur Stromgewinnung bei Ebbe genauso gut wie bei Flut. Im einjährigen Betrieb lieferte die Testanlage wertvolle Daten für die weitere Forschung und leistete bis zu 290 000 Watt.
Erst dadurch wurde es möglich, seinen Nachfolger namens SeaGen zu bauen, der als erstes kommerzielles Meeresströmungskraftwerk gilt. Es befindet sich nahe dem Fischerstädtchen Strangford und steht mitten in der nordischen Meerenge. Erst die dortigen Strömungen sind so stark, dass sich ein wirtschaftlicher Einsatz auch lohnt. In Spitzenzeiten fließt das Wasser mit 4 Metern in der Sekunde. Seit 2008 ist das Kraftwerk nahezu ununterbrochen in Betrieb und erzeugt eine Gesamtleistung von 1,2 Megawatt.
Könnte man es sehen, würde der Betrachter schnell die Ähnlichkeit zu einer Windkraftanlage mit zwei Turbinen feststellen. Aus dem Wasser ragt allerdings nur ein oberer Stahlturm. Ab einer Tiefe von drei Metern unter dem Wasserspiegel drehen sich die Rotoren. Sie sind an zwei Auslegern montiert. 1500 Haushalte können von dem erzeugten Strom versorgt werden. (LB/BHB)
Lesen Sie im zweiten Teil etwas über die aktuellen Projekte für Meereskraftwerke