"Wer analog denkt, wird die Vorteile der Digitalisierung nie verstehen." Mit seinen Worten scheint Marc Ruoß einen mahnenden Zeigefinger in Richtung der deutschen Wirtschaft auszustrecken. Denn obwohl innerhalb des letzten Jahrzehnts zunehmend digitale Prozesse in Unternehmen Einzug hielten, steckt Deutschlands Digitalisierung im weltweiten Vergleich noch in den Kinderschuhen. Im 2023 veröffentlichten Länderranking zur digitalen Wettbewerbsfähigkeit belegte die Bundesrepublik nur den 23. Platz. Woran diese "Digitalisierungsmüdigkeit" liegt und warum insbesondere Unternehmen aufwachen müssen, zeigt der folgende Artikel.
Sind deutsche Unternehmen digital abgeschlagen?
Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern sind laut dem Digitalisierungsindex der Bundesnetzagentur digitaler aufgestellt als kleine und mittelständische Betriebe. Ein Grund dafür könnte der hohe Kostenaufwand sein, den ein Umstieg auf digitalisierte Arbeitsprozesse mit sich bringt. Eine 2022 veröffentlichte Studie der Fraunhofer-Institute IPA und IAO identifizierte weitere Ursachen für das langsame Vorankommen der Industrie 4.0, darunter:
- mangelnde Digitalisierungsaffinität seitens der Geschäftsführung
- fehlende Impulse für den digitalen Umstieg
- unklare Vorstellungen über den Nutzen digitalisierter Prozesse
- fehlende Strategie für die Unternehmensdigitalisierung
Ebenso mangelt es vielen KMUs an Fachkräften, die ihnen den Weg in die Digitalisierung bereiten und neben Kapazitätsschwächen können externe Bedingungen die digitale Transformation hemmen. Dazu gehören schlechte Internetanbindungen, unzureichende Förderangebote sowie nicht vorhandene Standards und Normen. Seltener entscheiden sich Unternehmen aufgrund eines Ungleichgewichts aus Kosten und Nutzen bewusst gegen den digitalen Umstieg.
Aufgrund der genannten Hemmschwellen stagniert die Digitalisierung in deutschen Unternehmen seit 2021. Jedoch zeigt eine 2024 veröffentlichte Bitkom-Analyse, dass der Großteil der Unternehmenslandschaft digitale Prozesse und Strukturen aktiv vorantreiben will. Rund 20 Prozent der befragten Unternehmen planten beispielsweise eine Mehrinvestition in Digitalisierungsprozesse.
Welche Bereiche sind in deutschen Unternehmen bereits digitalisiert?
Die von der Bundesnetzagentur durchgeführte "Studie zur Digitalisierung und Nachhaltigkeit in Unternehmen" zeigt die Diskrepanz zwischen in der Theorie digitalisierbaren Prozessen in Unternehmen und deren tatsächlichem Digitalisierungsstand. In den Bereichen Buchhaltung und Personal könnten demnach rund 80 Prozent der Abläufe automatisiert werden. In der Realität beschränkt sich die digitale Transformation auf rund 60 Prozent. Ein ähnlich ungleiches Verhältnis von möglicher und realisierter Digitalisierung besteht in:
- Marketing und Vertrieb
- Einkauf
- Logistik und Produktion
Bei den Unternehmen insgesamt existiert ein Digitalisierungspotenzial von 60 Prozent, von dem bislang nur 40 Prozent genutzt werden.
Die Vorteile einer digitalen Buchhaltung
Rechnungen und Gutschriften, Verträge und andere Dokumente müssen im Unternehmensalltag organisiert und aufbewahrt werden. In Papierform erfordert die Buchhaltung unnötig viel Platz, Arbeits- und Ressourcenaufwand. Abhilfe schafft eine automatisierte Alternative, die manuelle Prozesse komplett ersetzen kann.
Ein Herzstück des Rechnungswesens 4.0 wird die sogenannte E-Rechnung oder elektronische Rechnung, die automatisiert empfangen und medienbruchfrei weiterverarbeitet werden kann. Anders als die Papierrechnung oder eine PDF-Datei stellt die E-Rechnung die Rechnungsinhalte datenbasiert und dadurch maschinenlesbar dar. Daraus ergeben sich Vorteile für den Rechnungssteller und für den -empfänger, darunter:
- vereinfachte Rechnungsstellung und -verarbeitung
- gesteigerte Datenqualität
- Einsparpotenziale in Rechnungsversand und -weiterverarbeitung
- flexibles Arbeiten durch ortsunabhängige Rechnungsstellung
Bislang waren lediglich Lieferanten des Bundes zu einer elektronischen Rechnungsstellung verpflichtet. 2025 greift die E-Rechnungspflicht im B2B-Bereich für alle Unternehmer (auch für Kleinunternehmer). Ab dem 1. Januar müssen sie in der Lage sein, elektronische Rechnungen zu empfangen und zu verarbeiten, doch bei der E-Rechnungsstellung gelten Übergangsfristen bis 2027.
Die Vorteile digitaler Kommunikation
Neben der Buchhaltung hat die Vielzahl deutscher Unternehmen auch ihre internen sowie externen Kommunikationswege digitalisiert. Die verwendeten Tools erleichtern nahtlose Geschäftsabläufe, Datenanalysen und Prozesse. In der innerbetrieblichen Kommunikation verbessern Werkzeuge wie Microsoft Teams die schnelle Erreichbarkeit der Mitarbeiter, sodass sie eine hohe Zeitersparnis im Unternehmensalltag mit sich bringen.
Extern meint die digitalisierte Kommunikation vorrangig die Erreichbarkeit eines Unternehmens via E-Mail oder Chat. Geschäftspartner, Lieferanten und Kunden ziehen daraus einen großen Vorteil: die orts- und zeitunabhängige Kontaktaufnahme. Zudem sind digitale Lösungen effizient, ressourcenschonend und bestenfalls umsatzsteigernd.
Die Vorteile einer digitalen Logistik
Eine digitale Umrüstung in der Logistik erleichtert es Unternehmen, Lieferketten und logistische Prozesse zu planen, zu steuern und zu optimieren. Die bislang manuelle Datenerfassung wird zudem automatisiert, um:
- Betriebskosten einzusparen
- Produktivitätsverluste zu vermeiden
- Auftragserfüllungen zu präzisieren
- Datentransparenz zu schaffen
Gleichzeitig reduziert die Digitalisierung im Bereich Logistik den ökologischen Fußabdruck eines Unternehmens. Insgesamt können die digitale Transformation und damit die Industrie 4.0 einen großen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Laut der Bitkom-Studie "Klimaeffekte der Digitalisierung 2.0" senken digitale Technologien in Deutschland 2030 bis zu 80 Millionen Tonnen des jährlichen CO2-Ausstoßes.