Ein Wirtschaftsminister auf der Suche nach Balance
Sigmar Gabriel stellt sich immer öfter auf die Seite der Industrie, obgleich beispielsweise das Freihandelsabkommen kaum mit den Beschlüssen des SPD-Parteitages vereinbar ist. Er setzt sich über die Genossen hinweg, seiner Ansicht nach ist das Abkommen beschlossene Sache, die darin enthaltenen Einzelheiten verweist er allerdings ins Reich des Absurden.
Der Wirtschaftsminister versucht, die Lager der Arbeitgeber mit denen der Beschäftigten zu vereinen, wobei er jedoch mehr die Interessen der Großkonzerne im Fokus hat. Er ist dabei ein geschickter Taktiker, der sich mit seiner Absage an geplante Steuererhöhungen mit Kalkül die Sympathien auf beiden Seiten sichern will.
Die Ausgewogenheit gelingt Sigmar Gabriel allerdings nicht immer; dass er sich in Sachen Energiewende auf die Seite der Ex-Strommonopolisten stellte, brachte ihm den Zorn der Umweltschutzverbände ein.
Ein Wirtschaftsminister, den keiner als Kanzler haben will
Obwohl die Wirtschaft mit seiner Vorgehensweise sehr zufrieden ist, kann sich nur eine Minderheit Sigmar Gabriel als Nachfolger von Angela Merkel vorstellen. Die meisten Wähler sehen zwischen seinen beiden Ämtern als Parteivorsitzender und Wirtschaftsminister unüberwindbare Widersprüche. Für die Gegner müsse ein sozialdemokratischer Minister die Interessen der arbeitenden Bürger und nicht die der Industrie vertreten. Deswegen würden aktuell nur elf Prozent der Deutschen Sigmar Gabriel als neuen Kanzler wählen. Es ist anzunehmen, dass die einzigen Stimmen für ihn aus der Wirtschaft kommen.
Wenn es nur nach Sigmar Gabriel ginge, müsste die SPD deutlich mehr Sympathie für die Industrie entwickeln. Doch ist dies kein Aspekt, der einer sozialdemokratischen Partei zu mehr Erfolg bei den Wählern verhilft. So ist es kaum verwunderlich, dass der SPD bei der nächsten wichtigen Wahl noch weniger Stimmen als bei der letzten prognostiziert werden.