Tatsächlich sollte die Abgeltungssteuer ursprünglich dazu dienen, Steuervermeidung bei Kapitalerträgen schwerer zu machen. Es war ausgerechnet ein SPD-Finanzminister, nämlich Peer Steinbrück, der sich seinerzeit für die pauschale Besteuerung aussprach. Sein griffiges Argument lautete: "25 Prozent von x ist besser als 45 Prozent von nix". Damit versuchte er, Kritikern aus seiner eigenen Partei den Wind aus den Segeln zu nehmen, die sich daran stießen, dass "Besserverdienende" von dieser Pauschalregelung profitierten.
Gegner der Abgeltungssteuer im Aufwind
Der Finanzminister Peer Steinbrück ist längst Geschichte. Und die Kritiker der Abgeltungssteuer haben mehr Oberwasser denn je. Auftrieb gibt ihnen u.a. der auf OECD-Ebene vereinbarte internationale Austausch von Finanz- und Steuerdaten, der ab 2018 kommen soll. Er macht Steuerhinterziehung durch Kapitalflucht ins Ausland künftig fast unmöglich. Gleichzeitig entfällt damit ein wichtiges Argument für die Abgeltungssteuer. Von daher überrascht es nicht, dass jetzt die Stimmen für die Abschaffung lauter werden.
Eins ist richtig. Die Abgeltungssteuer ist eigentlich systemwidrig. Bei allen anderen Einkunftsarten entscheidet der individuelle Steuersatz über die Besteuerung, nur bei Kapitalerträgen gilt die pauschale Besteuerung. Und in der Tat kommt diese Regelung Steuerpflichtigen mit hohen persönlichen Steuersätzen zugute. Ein Steuerpflichtiger mit dem Höchstsatz von 42 Prozent muss - vereinfacht gesprochen - bei Kapitalerträgen nur 25 Prozent zahlen, "spart" also 17 Prozent Steuern. Allerdings ist das eine sehr überschlägige Rechnung. Denn so niedrig wie es scheint, ist der Steuersatz im Verhältnis zu anderen Einkunftsarten nicht. Abgesehen vom Sparer-Pauschbetrag können hier keine Werbungskosten geltend gemacht werden. Belastend wirkt auch die generelle Besteuerung von Kursgewinnen. Früher galt die Regelung, dass Kursgewinne nach einem Jahr Haltedauer steuerfrei waren.
Lohnt sich der Aufwand?
Eine Folge hätte die Abschaffung mit gleichzeitiger Rückkehr zur Besteuerung mit dem individuellen Steuersatz. Sie würde sowohl für Steuerpflichtige wie für die Finanzverwaltung wesentlich aufwändiger. Heute wird die Steuer von den Banken quasi-automatisch einbehalten und abgeführt, künftig wäre wieder eine Einzeldeklarierung und Überprüfung jeder Zins- und Dividendeneinnahme erforderlich.
Ob dieser Mehraufwand tatsächlich vertretbar ist, wurde wohl noch nicht kalkuliert und interessiert "Gerechtigkeitsfanatiker" bei Steuern in der Regel nicht. Das gilt auch für das Argument, dass bei den herrschenden Niedrigzinsen die Abschaffung wie eine "Steuererhöhung durch die Hintertür" wirkt und die ohnehin schmalen Kapitalerträge weiter beschnitten würden.
Anleger mit hohem persönlichem Steuersatz sollten diese Aspekte in ihrer Anlageplanung mit einbeziehen und sich von einem unabhängigen Experten beraten lassen.