Nun hält die Schwarmintelligenz auch in der Finanzwelt Einzug. Mehr als ein Investmentfonds zeigt seit mehreren Jahren eine unterdurchschnittliche Performance. Das Vertrauen vieler Kunden in Investmentfonds sinkt. Entsprechend stark ist der Boom von Indexfonds, die als transparenter, günstiger und vor allem auf Sicht als deutlich renditestärker gelten. Einige Fonds wollen jetzt das Blatt durch die Beteiligung der Basis wenden. Die Schwarmintelligenz der Investoren soll die Entscheidung der Fondsmanager oder professioneller Investment-Gremien ersetzen. Bei sogenannten Social-Trading-Fonds sollen vor allem Kleinanleger die Rolle von kollektiven Fondsmanagern übernehmen.
"Weisheit der Masse" gegen Underperformance von Investmentfonds
Das professionelle Fondsmanagement betrachtet die Schwarmintelligenz keineswegs nur als kreatives Instrument zur Kundenbindung. Vielmehr soll die "Weisheit der Masse" dazu dienen, das Problem der Underperformance vieler Investmentfonds zu überwinden. Ein Kollektiv ist oft tatsächlich klüger als ein einzelner Experte und kann womöglich mit seinen Entscheidungen die Wertentwicklung eines Fonds tatsächlich treiben. Die Basis für das Konzept findet sich im Internet sowie im Web 2.0, das es der Finanzindustrie erstmals möglich macht, das Verhalten von privaten Anlegern zu untersuchen und mit relevanten Informationen zu versuchen, die Performance von Investmentfonds zu optimieren. Die theoretischen Grundlagen dafür liefert die wirtschaftswissenschaftliche Disziplin der Verhaltensökonomie (Behavioral Economy oder auch Behavioral Finance). Bei einem solchen Anlagemodell setzen die Anbieter darauf, dass die Schwarmintelligenz respektive das geballte Wissen der Akteure zu validen Marktprognosen führen und/oder Aktien identifiziert, welche die Fondsrendite treiben.
Mit der Schwarmintelligenz "Alpha generieren"?
Michael Mellinghoff, der Geschäftsführer der Anleger-Community "H & A Sharewise" ist überzeugt, dass es im großen Schwarm auch Menschen gibt, die fähig sind "Alpha zu generieren", mit ihrer Intuition oder ihrem Wissen also fähig sind, den Gesamtmarkt zu schlagen. Voraussetzung dafür, um sie zu finden, ist eine genügend große Zahl an Investoren. Auf "Sharewise" haben sich dafür immerhin 155.000 Menschen registriert. Die Anzahl der aktuell abrufbaren Aktien-Tipps beläuft sich auf etwa 230.000. Die "Sharewise"-Elite versammelt sich im Top-100-Club - ihre 25 meistempfohlenen Papiere werden gleichgewichtet in den Investmentfonds genommen.
Auch Wetten auf fallende Kurse werden durch die Top-100 generiert: Die fünf Aktien mit den meisten Verkaufsempfehlungen baut der Investmentfonds entsprechende Short Positions auf. Die Option auf die Schwarmintelligenz hat allerdings ihren Preis: Bei "Sharewise" wird das Portfolio in Monatsintervallen umgeschichtet, was eine Verwaltungsvergütung von 1,5 Prozent zur Folge hat. Auch die Entwicklung der Renditen kann sich jedoch sehen lassen. Zwar sind die Schwankungen des Investmentfonds stärker als der Gesamtmarkt, seinen Maßstab - den europäischen Stoxx600 - konnte er nach Anfangsschwierigkeiten jedoch deutlich schlagen. Die Outperformance der Benchmark lässt sich das Fondsmanagement mit einer Performancegebühr von fürstlichen 15 Prozent entgelten.
Schwarmintelligenz und Kollektiv: Viele unterschiedliche Konzepte
Andere Investmentfonds nutzen die Schwarmintelligenz im Rahmen ihrer eigenen Konzepte:
- Die Kunden des Fonds "Investtor" dürfen das Investment-Portfolio. Die besten Tipp-Geber erhalten Rabatte auf die Managementgebühr, ausgewählt werden die Papiere mit der höchsten Zustimmungsquote der Investoren.
- Der "Multistructure Fund Investor Global" kombiniert verschiedene Anlageklassen und kommt damit immerhin auf eine jährliche Rendite von acht Prozent - was die konsequenten Verfechter der Schwarmintelligenz monieren.
- Der noch ganz neue "Intelligent Recommendations Global Growth Fund" scannt die Aktien-Tipps nach ihrem Vorkommen in der Diskussion des Kollektivs - Aktien, die nur wenig Interesse finden, werden aus dem Portfolio entfernt - zwar zeigt das Modell einen positiven Trend, liegt jedoch hinter dem Dax oder anderen Indizes weit zurück.
- Der "Sentix Fonds 1" wird auf der Grundlage von Stimmungsindikatoren der Anleger verwaltet. Aktien werden nur dann angekauft, wenn diese auf einen validen Trend verweisen, anderenfalls wird das Geld der Kunden in Anleihen oder Cash gehalten -mit nur mäßigem Erfolg, da dieser Investmentfonds derzeit im Minus liegt.
Vertreter der "Efficient Market Hypothesis" (Nobelpreis an Prof.Fama) werden sich angesichts der Schwarmintelligenz in Investment-Fragen die Haare raufen. Aus ihrer Sicht enthält der Preis alle relevanten Informationen. Investmentfonds sind zudem nicht dauerhaft in der Lage, den Markt zu schlagen. Trotzdem klingen die Ansätze von Social-Trading vielversprechend. Für eine valide Bewertung ist ihre Marktpräsenz zu kurz.