Pay what you want? Der angemessene Preis für Finanzberatung

Pay what you want (PWYW) liegt im Trend, nicht nur im Hamburger Gängeviertel. Seit August 2009 von Künstlern besetzt, protestierten Kulturveranstalter und Gastronomen erfolgreich gegen den Abriss. Wer hier ein Bier trinkt oder ein Konzert besucht, bestimmt den Preis selbst. Ein Prinzip, das sich auch auf Finanzdienstleistungen übertragen lässt?


Finanzberatung

Fairen Preis nach Gusto bestimmen

Was ein Gast zu zahlen bereit ist, schätzen Barbesitzer im Gängeviertel mit einem Blick auf Outfit oder Handymarke nach Bauchgefühl ein. Verlässlich kalkulieren lässt sich so nicht, aber immerhin zahlen zwei Drittel einen fairen Preis, so dass sich PWYW trägt - tun sie es nicht, hilft der Wirt freundlich nach. Fair ist, was sich üblichen Marktpreisen annähert. Die Hamburger möchten das bisherige System (des Konsums) in Frage stellen und Eigenverantwortlichkeit stärken. Ähnliches hat auch unabhängige Honorarberatung nach dem Prinzip ehrlicher Kaufmannschaft im Sinn, aber stößt auf ein Hindernis: Ihre Mandanten sind, was den marktüblichen Preis unabhängiger Finanzberatung angeht, weitgehend ahnungslos. Und können, nur mit Provisionsberatung vertraut, nicht einmal etwas dafür. 

Wann PWYW funktioniert

Wäre Geiz tatsächlich so geil, würde niemand zahlen. PWYW als volkswirtschaftliches Experiment beschäftigt seit 2007 die Forschung in den USA und Deutschland: Welcher Preis wird als fair empfunden? Neben Prof. Dr. Martin Natter, der sich an der Universität Frankfurt mit dieser Form innovativer Preisgestaltung beschäftigt, ist auch Marketing-Experte Marcus Kunter, Universität Aachen, den Geheimnissen funktionierender Bezahlmodelle auf der Spur. PWYW funktioniert, wenn:

- der Anbieter ein gutes bzw. soziales Image hat

- ein Angebot unabhängig von der Anzahl der Besucher hohe Fixkosten hat (Zoo, Museum) - der Kunde persönlich bezahlen muss

- der Kunde eine persönliche Beziehung zum Anbieter aufgebaut hat

Allfinanz: Von Provisionen leben

Honorarberatung unterscheidet sich grundlegend von Beratung im Strukturvertrieb durch selbstständige Handelsvertreter. Diese leben von Provisionen aus der Vermittlung von Fremdprodukten und davon, auch fachfremde Mitarbeiter zu werben. Im hierarchischen System zum Geschäftstellenleiter aufgestiegen, partizipiert ein Finanzberater auch am Vertrag seiner Untergebenen. Was ist ein Vertragsabschluss in so genannten Einheiten wert? Das handelt der Strukturvertrieb mit dem Produktanbieter aus.

Jeder Berater kennt die Zahl dieser Einheiten vor Vertragsabschluss und orientiert sich daran. Ein Neuling auf unterster Systemebene investiert oft nur minimalste Beratungszeit, weil er pro Einheit kaum verdient. Daran, dass sich Kunden - wie im Hamburger Gängeviertel - mit ihm als Anbieter identifizieren, hat er kein Interesse. Doch Lehman Brothers Pleite und Finanzkrise zum Trotz, akzeptieren viele Anleger weiter den hohen Preis versteckter Provisionen. Ein dorniger Weg also für die Avantgarde unabhängiger Finanzberater, Honorare durchzusetzen. Dabei haben Kunden, die sich bewusst für Honorarberatung entscheiden, gute Argumente: Sie möchten ihr Vermögen vermehren, ohne dass horrende Provisionen daran fressen. Leider übt die Politik kaum Druck auf die Finanzbranche aus, Vergütungsmodelle zu ändern, während eine Befragung der European Business School unter 1400 Bankberatern zeigt: Kunden fragen zunehmend wachsamer nach versteckten Gebühren oder Ausgabeaufschlägen.

Provisions- oder Honorarberatung: Preise vergleichen!

Eine neue Richtlinie aus Brüssel, Mifid II, könnte frischen Wind bringen. Mifid II schreibt Vermögensverwaltern vor, sich als "nicht unabhängig" oder "unabhängig" zu bezeichnen. "Unabhängig" düfen sich danach nur Anbieter nennen, die eine breite Produktpalette vieler Anbieter nachweisen und komplett auf Provisonen verzichten.

Ferner dürfen inzwischen auch Versicherungsvermittler ihre Abschlussprovision teilweise an den Versicherten weitergeben. Preisvergleiche gewinnen an Normalität, aber kann klassische Honorarberatung, die Provisionen verpflichtend an Mandanten weitergibt, ihren Preis dem Mandanten überlassen? Nur Kunden, die aus Erfahrung wissen, was Honorarberatung wert ist, sind in der Lage, einen fairen Preis zu zahlen. Zwar gilt ein Stundensatz von 150 Euro als Richtwert, die Erstberatung ist kostenlos und es gibt Mandatslösungen langfristiger Vermögensbetreuung, deren Preis bei einem bestimmten Prozentsatz des Anlagevolumens liegt. Aber bis sich Richtsysteme etabliert haben, tun sich Kunden mit der Wahl zwischen Honorar- oder Provisionsberatern schwer. Honorarberatung tut deshalb gut daran, den Preis von Provisionsberatung auf breiter Front transparent zu machen und das Ersparnispotenzial durch unabhängige Finanzberatung konkret vorzurechnen. Wirtschaftswissenschaftler Gerhard Riener, Universität Düsseldorf, weiß, dass sich das PWYW-Prinzip nicht in jeder Art Markt durchsetzt. Dort, wo die moralische Komponente reduziert sei, wie "an der Diamantenbörse", funktioniere es nicht. Dagegen bestünde dort, wo persönliche Beziehungen zum Kunden existierten, Potenzial. Also Pay what you want in der Honorarberatung? Dies bleibt abzuwarten, aber Fakt ist: Unabhängige Honorarberater leben vom Vertrauen ihrer Mandanten in deren hochqualifizierte Vermögensexpertise.


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