Im betreffenden Fall ging es um ein Wohnhaus in St. Blasien im Kreis Waldshut. Ein Investor hatte das Haus gekauft und den Mietern gekündigt. Begründet wurde das mit der notwendigen Erweiterung eines benachbarten Modehauses, das ein existenzielles Interesse an dem Erweiterungsbau habe. Das Modehaus wird von einer Schwestergesellschaft des Investors betrieben. Gegen die Kündigung hatte ein Mieter geklagt. Die Vorinstanzen gaben dem Investor Recht, der BGH hat jetzt zugunsten des Mieters entschieden und damit erneut seinen Kurswechsel in der Rechtsprechung bestätigt.
BGH setzt seine Kurskorrektur bei wirtschaftlichem Eigenbedarf fort
Bereits im Frühjahr hatte das Gericht in einem anderen Fall zugunsten eines Mieters entschieden. Dort ging es um die Eigennutzung von gekündigten Räumen als Aktenlager. Die Richter konnten darin kein hinreichendes berechtigtes wirtschaftliches Eigeninteresse erkennen. Das Urteil wurde als Kurskorrektur gewertet, denn 2012 hatte der BGH in einem anderen Urteil eine Wohnungskündigung für zulässig erklärt, um dort eine Anwaltskanzlei einzurichten. Dies führte in der Folge zu relativ großzügigen Auslegungen des Eigenbedarfs-Begriffs durch die unteren Instanzen. Mit den neueren BGH-Urteilen wird diese Entwicklung wieder zurückgedreht.
Die Richter gestanden zwar in dem aktuellen Fall zu, dass die Erweiterung dem Modehaus wirtschaftliche Vorteile in Form von mehr Profit bringe, sah für die Maßnahme aber keine existenzielle Notwendigkeit. Auch die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes ließ der BGH nicht als Argument gelten. Denn sie schütze nicht nur das Eigentumsrecht des Vermieters, sondern auch das Besitzrecht des Mieters. Aus dem Eigentum ergebe sich daher in Abwägung beider Schutzrechte in diesem Fall kein Anspruch auf Gewinnoptimierung. Der Vermieter sei nicht uneingeschränkt berechtigt, sein Objekt zum größten wirtschaftlichen Vorteil zu nutzen.
Ein weiterer Grund für das Urteil war auch die rechtliche Konstruktion. Trotz weitgehender Identität von Investor und Modehaus-Betreiber handelte es sich um zwei rechtlich selbständige und getrennte Gesellschaften. Der Investor als Vermieter konnte daher nicht Eigenbedarf wegen des wirtschaftlichen Interesses der Schwestergesellschaft geltend machen.
Dem Mieter bleibt diesmal nur Schadensersatz
Dem Mieter nutzt dieser Sieg vor der höchstrichterlichen Instanz insofern wenig, als dass das Wohnhaus bereits während des Verfahrens abgerissen wurde. Er kann nur noch Schadensersatz vom Investor verlangen. Es ist davon auszugehen, dass der BGH auch bei weiteren Verfahren mit ähnlich gelagerten Problemlagen seiner neuen Linie folgen wird.