Go Provisionsunwesen go

Der folgende Beitrag ist am 23. Oktober 2012 unter Wallstreet-Online erschienen. Finanzautor Norbert Lohrke erteilte uns die freundliche Genehmigung des Abdrucks.


Go Provisionsunwesen go

Statt den Anleger zu schützen und das Provisionsunwesen zu beenden, zahlen wir weiter für diejenigen, die uns die momentane Lage eingebrockt haben und die uns Tag für Tag über den Tisch ziehen dürfen. Jetzt mit Europa Siegel. Solange Europa eine so falsche Politik betreibt, solange wird sich an den Finanzmärkten nichts ändern und Europa auch nicht auf die Füße kommen.

Ich möchte Sie heute einmal auf eine Organisation aufmerksam machen, die sich als Non-Profit Organisation zur Aufgabe gemacht hat, die Regelungen im Finanzmarkt so zu verändern, dass der Finanzmarkt wieder der Gesellschaft dient. Die Rede ist von Finance Watch (www.finance-watch.org). Finance Watch fordert die europäischen Entscheidungsträger dazu auf, Verbraucher in Europa – und damit auf lange Sicht auch Anbieter – besser vor den möglichen Folgeschäden falscher Anlageberatung zu schützen. 

In einer E-Mail, die ich von Finance Watch gestern bekam, weißt Sie mit folgenden Worten erneut darauf hin, dass ein erster Schritt für eine vernünftige Finanzberatung wäre, das Provisionsunwesen im Finanzsektor zu stoppen.

Nehmen wir an, Sie möchten ihr gespartes Geld sinnvoll anlegen: Wünschen Sie sich einen Verkäufer, der Ihnen empfiehlt, was am besten für Sie ist – oder für ihn?“

Statt diesen Unsinn endlich zu verhindern, der letztlich dazu führt, dass Produkte mit höheren Provisionen - gegen die Interessen des Anlegers - bevorzugt verkauft werden, hat das Europäische Parlament in einer strukturellen Frage im Finanzwesen wieder einmal versagt, indem es am 26. September 2012 gegen ein geplantes Verbot von finanziellen "Anreizen" für Anlageberater entschieden hat. Es handelt sich dabei um Provisionszahlungen von Banken, damit ihr Personal bestimmte Produkte eher an Kunden verkauft als andere. Da solche Provisionen zu einem Konflikt zwischen Berater- und Anlegerinteressen führen.

Auch in Deutschland ist es weiter gang und gäbe, dass Finanzprodukte nach Provisionshöhe und nicht nach Kundenbedarf verkauft werden. Statt der transparenten und produktneutralen Form der Honorarberatung, die für die Beratung ein produktunabhängiges Beratungshonorar verlangt und somit kundengerechter wird, hat die uns beinahe in den Abgrund gerissene Finanzlobby wieder einmal gesiegt.

Somit hat die kundenfreundliche Honorarberatung weiter das Manko, dass Sie offen ein Honorar für Beratung verlangt, während die Provisionen weiter mehr oder weniger versteckt in das Produkt einberechnet werden und der Kunde das Gefühl hat, dass ihn das Produkt nichts kostet. Wobei er noch dazu über die Höhe der Provision in vielen Fällen wenig bedarfsgerecht beraten wird. Während man sich und uns auf der Europaparlamentswebseite mit der Überschrift „More transparency and rules“ in die Tasche lügt, hat der Verbraucherschutz in Europa im Finanz- und Anlagebereich wieder einmal eine schwere Schlappe hinnehmen müssen.

Dabei gibt es bereits einige EU-Mitgliedstaaten wie z.B. Groβbritannien, die Niederlande und Dänemark, welche bereits Verbote bzw. Beschränkungen für Beratungsprovisionen eingeführt oder für 2013 geplant haben. Dass Deutschland wieder einmal nicht dabei ist, spricht Bände.

Die gesamte angebliche Regulierung in Deutschland und Europa ist ein Witz. Das Gerede vom Verbraucherschutz ein Lacher. Nachhaltigkeit hat hierzulande keine Chance. Systemische Änderung sind noch nicht im Ansatz angegangen worden. Die Soziale Marktwirtschaft wird im Banken- und Versicherungsbereich weiter außer Kraft gesetzt. Too-big-to-fail feiert weiter fröhlich Urständ. Geschützt werden weiter die großen Banken und Versicherungen. Das ist die traurige Bilanz vier Jahre nach der Finanzkrise. Und weil das so ist, wird Europa so schnell nicht wieder auf die Füße kommen.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag und stets hohe Renditen.

Ihr Norbert Lohrke

www.globalyze.de


Dieser Text ist vom Autor freigegeben worden. Er trägt daher die alleinige inhaltliche und presserechtliche Verantwortung. Eine Haftung anderer Personen/Institutionen ist ausgeschlossen.

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