Die Deutsche Bank hat der EZB als Hinweis für die Sitzung des Zentralbankrats am 6. Februar 2014 aufgeschrieben, dass der europäische Geldmarkt aus ihrer Sicht eine Leitzinssenkung um zehn Basispunkte braucht. Noch weiter geht die Bayern LB, die in einem Marktkommentar sogar eine Senkung um 15 Basispunkte - also von 0,25 auf 0,10 Prozent für sinnvoll hält. Parallel dazu fiel der Wechselkurs des Euro zum Wochenauftakt zeitweise auf 1,3478 US-Dollar und erreichte damit den niedrigsten Stand seit November 2013. Auch die Anleihen-Renditen in der Euro-Zone befinden sich im Abschwung. Die Marktteilnehmer nannten als Grund dafür Erwartungen, dass der europäische Leitzins weiter sinkt.
Erwartungen zur Lockerung der Geldpolitik werden durch die niedrige Inflation getrieben
Erwartungen, dass die EZB ihre Geldpolitik weiter lockert - vielleicht bereits in dieser Woche, jedoch spätestens im März - erhalten vor allem durch die extrem niedrige Inflation in der Europäischen Gemeinschaft Auftrieb. Im vergangenen Monat lag die Inflation im Euro-Raum nur noch bei 0,7 Prozent - die Vorgaben der EZB zielen eigentlich auf eine Teuerungsrate von knapp zwei Prozent. Auch in Deutschland blieb die Inflation mit 1,3 Prozent deutlich unter dieser Marke. Die Analysten der Commerzbank gegen davon aus, dass die EZB die mittelfristige Inflationsentwicklung in Europa deutlich überschätze, was zu einer weiteren Leitzinssenkung führen werde.
Die EZB selbst hält sich zu diesem Szenario bisher bedeckt. Zwar ließ EZB-Präsident Mario Draghi bereits vor einigen Wochen wissen, dass der Zentralbankrat handeln werde, sobald er es für nötig halte. Widersprüchlich ist allerdings bisher die Datenlage. Die EZB befürchtet bisher offensichtlich nicht, dass die die Euro-Zone sich in eine Phase nachhaltiger Deflation bewegen könnte. Zur Begründung verweisen sie darauf, dass die Prognose einer konstanten Inflationsrate von etwa zwei Prozent seinerzeit von der Mehrheit der Marktteilnehmer mitgetragen wurde. Die Inflationserwartungen werden gemeinhin als ein wichtiger, wenngleich nicht völlig zuverlässiger, Indikator für die Entwicklung des Preisniveaus betrachtet.
Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise folgt dieser Sicht der EZB, wenn er nachdrücklich fordert, den europäischen Leitzins nicht noch weiter abzusenken. Eine gefährliche deflationäre Entwicklung wegen massenhafter Kaufzurückhaltung sieht er bisher nicht. Die Gründe für die niedrige Inflation sieht er in zurückgehenden Sparquoten und sinkenden Preisen in den Peripherie-Ländern der Eurozone, was er dort als eine "gute Anpassungsreaktion" zur Wiedererlangung von Wettbewerbsfähigkeit wertet. Auch das prognostizierte Wirtschaftswachstum von einem Prozent für den gesamten Euro-Raum passt nicht wirklich zu einem Deflations-Szenario. Zwar dürfte das europäische Wirtschaftswachstum derzeit maßgeblich von Deutschland getragen werden - die vierteljährlich erscheinenden Markit-Stimmungsindikatoren gehen jedoch auch in anderen Ländern inklusive der europäischen Krisenstaaten von Stabilisierung oder wirtschaftlichem Wachstum aus.
EZB: Mangel an wirksamen geldpolitischen Instrumenten
Ebenso wenig ist klar, wie die EZB die Geldpolitik in der Euro-Zone lockern könnte. Der europäische Leitzins - also der Zins, den die Banken für einen einwöchigen EZB-Kredit bezahlen - liegt bei 0,25 Prozent und ist kaum noch weiter absenkbar. Der EZB-Einlagenzins beträgt aktuell null Prozent. Die Deutsche Bank wünscht sich eine Absenkung auf minus 0,10 Prozent - auf die EZB-Guthaben der Banken würde damit ein Strafzins fällig werden. Beide Modelle wären ein geldpolitischer Versuch, die Geschäftsbanken zu einer intensiveren Kreditvergabe an Privatpersonen und Unternehmen zu drängen - der in der Praxis nach Ansicht von Experten allerdings ohne Folgen bliebe. Auf geringfügige Zinssenkungen werden die Banken sehr wahrscheinlich nicht mit einer großzügigeren Vergabe von Krediten reagieren. Sie wären also lediglich ein Signal dafür, dass die EZB zu einer Lockerung ihrer Geldpolitik bereit ist. In der Diskussion ist - zuletzt in Davon - daneben immer wieder, ob die EZB ihre Kreditvergabe an südeuropäische Geschäftsbanken steigern soll, welche die Darlehen dann an Unternehmen und Privatpersonen weitergeben.
Ein entsprechendes Programm der Bank of England für britische Geschäftsbanken zeitigt allerdings kaum befriedigende Resultate. Viele Banken in der Euro-Zone müsse erst ihre Eigenkapitalausstattung verbessern, bevor sie ihr Kreditgeschäft nachhaltig beleben können. Als Instrument zur Lockerung der Geldpolitik bleiben der EZB außerdem noch großflächige Anleihenkäufe ("quantitative easing") übrig. Die Wirksamkeit einer solchen Strategie könnte beträchtlich sein, wird aber von den meisten Geldpolitikern und Ökonomen sowie von Verfassungsrechtlern nur als ein letztes Mittel im Falle einer gravierenden wirtschaftlichen Notlage betrachtet. Alternativ - allerdings ohne wirklich weitreichende Wirkung - könnte die EZB den Banken kurzfristig etwas mehr Bargeld zur Verfügung stellen.
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