Neue Medikamente, wirksamere Behandlungsmethoden und bessere Krankenversorgung sind sicher ein Grund, warum viele Krankheiten, die früher unweigerlich zum Tode führten, heute erfolgreich überwunden werden können.
Trotz dieser unbestreitbaren Fortschritte erklärt das die gestiegene Lebenserwartung nach Erkenntnissen der Gesundheitswissenschaft aber nur zu einem Drittel.
Bessere Lebensumstände als Hauptursache
Zwei Drittel sind auf andere Faktoren zurückzuführen, die vielschichtig sind und sich zusammenfassend mit der Verbesserung der Lebensumstände beschreiben lassen. Dahinter stehen unter anderem bessere Wohn- und Arbeitsverhältnisse, mehr Zeit für Erholung und breiteres Wissen über gesundheitsorientiertes Verhalten.
Wer arm ist, stirbt früher
Nachdenklich stimmt dabei die Erkenntnis, dass die Lebenserwartung nachhaltig vom sozialen Status beeinflusst wird. Männer, die Hartz IV oder noch weniger Einkommen beziehen, leben im Schnitt elf Jahre kürzer als wohlhabendere Geschlechtsgenossen. Außerdem erkranken ärmere Männer rund 3,5 Jahre früher an chronischen Krankheiten. Insgesamt steht ihnen damit eine um mehr als 14 Jahre verkürzte gesunde Lebenszeit zur Verfügung.
Bei Frauen sieht es ähnlich aus. Hier liegt die Lebenserwartung bei Ärmeren um acht Jahre niedriger. Chronische Erkrankungen treten zwei Jahre früher auf. Da chronische Erkrankungen bei ärmeren Mitbürgern wesentlich häufiger sind, kommt auch der medizinischen Versorgung eine größere Bedeutung zu. Rund 75 Prozent der Versorgungskosten entfallen dabei auf sechs chronische Haupterkrankungen.
Mehr Ausgaben für Prävention
Angesichts der Ergebnisse dieser Ursachenforschung ergeben sich bemerkenswerte Konsequenzen für die Gesundheitspolitik. Wenn die Lebenserwartung zu zwei Dritteln auf nicht-medizinische Ursachen zurückzuführen ist, sollten deutlich mehr Gesundheitsinvestitionen in diesem Bereich gelenkt werden.
Heute sieht es anders aus. Die meisten Ausgaben im Gesundheitswesen entfallen auf die Krankheitsbehandlung, nicht auf die Krankheitsprävention. Dies bedeutet letztlich eine Fehlleitung von Ressourcen; es wird erst dann in die Gesundheit investiert, wenn die Krankheit schon eingetreten ist.
Aufklärung alleine reicht nicht
Bei der Prävention ist es mit reiner Aufklärung nicht getan. Gerade wenn es darum geht, das Gesundheitsverhalten ärmerer Schichten zu verbessern, muss der Ansatz vor allem in der Verbesserung der Lebensumstände liegen. Wer sich täglich darum kümmern muss, das Nötigste für seine Lebensführung zu organisieren, wird zwangsläufig für Gesundheitsvorsorge wenig Kapazitäten übrig haben. Mit einer besseren materiellen Basis fällt das leichter.
Die nicht-medizinische Prävention ist die große Versorgungslücke im deutschen Gesundheitswesen.