Deutschland droht die Digitalisierung des öffentlichen Sektors zu verschlafen, meint Johannes Ludewig, der Vorsitzende des Nationalen Normenkontrollrates. Das Gremium soll die Bundesregierung beim Bürokratieabbau unterstützen. Es hat jetzt gemeinsam mit dem Statistischen Bundesamt eine von der Unternehmensberatung McKinsey erstellte Untersuchung vorgelegt, in der die digitalen Defizite der öffentlichen Verwaltung augenscheinlich werden.
Akten wälzen statt Datenfluss
Digitale Vernetzung und Datenaustausch - was technisch längst möglich ist, ist im öffentlichen Sektor eine Wunschvorstellung. Stattdessen werden vielfach noch auf herkömmliche Weise Akten gewälzt und finden Vorgänge doppelt oder dreifach statt, ohne dass Beteiligte voneinander wissen. Welcher Nachholbedarf hier besteht, wurde spätestens im Zuge der Flüchtlingskrise deutlich. Das ist aber nur ein Bereich. Das Problem frisst sich durch die gesamte öffentliche Verwaltung und wird umso gravierender, je zögerlicher man es angeht.
Ein schönes Beispiel für analoge Ineffizienz ist das Elterngeld. Bis zu 17 Dokumente müssen Antragsteller heute von unterschiedlichen Behörden und Stellen einsammeln, um den Antrag einreichen zu können - eine Sisyphosarbeit, die Zeit, Aufwand und Geld kostet. Dabei sind die Daten oft bereits vorhanden. Mehr als 200 öffentliche Register gibt es für die unterschiedlichsten Zwecke. Doch eine Vernetzung ist bis dato eher die Ausnahme als die Regel. Die Folge ist, dass Daten mehrfach erhoben und gespeichert werden müssen - eine unnötige Arbeit, die obendrein ein Fehlerrisiko in sich birgt.
Investitionen, die sich praktisch sofort rechnen
Alleine mit digitaler Registerverknüpfung ließe sich jede Menge Geld sparen. McKinsey schätzt die möglichen Entlastungen auf mehr als sechs Milliarden Euro pro Jahr. 3,9 Milliarden Euro würden alleine die Behörden sparen, 1,4 Milliarden Euro die Bürger und eine weitere Milliarde Euro die Unternehmen.
Die notwendigen Investitionskosten in Höhe von 2,5 Milliarden Euro wären demnach bereits binnen Jahresfrist verdient und auch die jährlichen Betriebskosten von 200 Millionen Euro würden nicht ins Gewicht fallen. Dass das alles keine Phantasie ist, sondern funktioniert, machen andere Länder wie Dänemark, Estland, Österreich, Schweden und die Schweiz bereits vor.
Wenn sich bei deutschen Behörden in puncto Digitalisierung nicht bald etwas tut, droht die öffentliche Verwaltung zu einem Hindernis für die wirtschaftliche Entwicklung und die Wettbewerbsposition des Landes zu werden. Denn keine Wirtschaft kann auf Dauer ohne eine funktionsfähige und effiziente Verwaltung reüssieren.