Der Euro zeigt sich so stark wie lange nicht. Zuletzt kratzte der Wechselkurs fast die 1,18 Dollar, manche Experten halten sogar 1,20 Dollar für möglich. Der (Wieder-)Aufstieg begann im April, als sich bei den französischen Präsidentschaftswahlen ein Wahlsieg Macrons abzeichnete. Seither scheint kaum etwas den Eurokurs bremsen zu können.
Die Faktoren, die den Euro stark machen
Für die Kursrallye gibt es verschiedene Gründe. Tatsächlich hat sich die politische Stimmungslage in Europa gedreht. Herrschte im Januar noch große Unsicherheit angesichts des ungewissen französischen Wahlausgangs und des Erstarkens von Rechtspopulisten in vielen Mitgliedsstaaten, haben sich viele Befürchtungen inzwischen als übertrieben erwiesen. Die EU hat wieder mehr Selbstsicherheit gewonnen.
Aber auch die wirtschaftlichen Daten haben den Euro begünstigt. Tatsächlich beginnt die Konjunktur im Euro-Raum jetzt stärker anzuziehen. Erstmals seit Langem betrifft das nicht nur einige wenige Länder, sondern der Aufschwung findet auf breiter Basis statt. Die Inflation nähert sich der von der EZB angepeilten Zielmarke von zwei Prozent. Und die Eurokrise scheint erst einmal kein Thema mehr zu sein.
Angesichts dieser positiven Lage werden die Voraussetzungen immer besser, dass die EZB Ihre ultralockere Geldpolitik allmählich zurückführt. Einstweilen ist das allerdings mehr Hoffnung als Realität. Denn die Euro-Notenbank hat bisher weder die Leitzinsen geändert, noch wurde das Anleihekaufprogramm weiter eingeschränkt. Es ist nicht einmal klar, ob und wie es im nächsten Jahr weitergehen wird.
Last, but not least macht auch die Schwäche anderer den Euro stark. In den USA zeigt die Konjunktur Schwächezeichen, seit Donald Trumps angekündigte Reformen sich immer mehr als Seifenblasen erweisen. Und Großbritannien sucht nach dem überraschenden Ausgang der Unterhauswahlen verzweifelt nach einem klaren Kurs beim Brexit. Die Ungewissheit über den weiteren Weg des Landes wird zunehmend zur wirtschaftlichen Belastung.
Die Schattenseiten der Euro-Rallye
So positiv die Renaissance des Euro als Zeichen neuer europäischer Stärke sein mag, sie hat auch Schattenseiten. Der massive Anstieg der Gemeinschaftswährung könnte zu einer Belastung für die Exporte werden, je länger er dauert. Für die europäische Konjunktur wäre das ein Dämpfer. Und steigende Kurse machen es der EZB schwerer, die Zinswende einzuleiten. Denn das würde den Euro nur noch weiter befeuern. Wir könnten dann noch länger mit Niedrigstzinsen leben müssen.