Europa am Rand einer gefährlichen Deflation
Die Furcht vor einer Deflation ist in den Köpfen der europäischen Verbraucher angekommen, ausschlaggebend sind die Preise in der Eurozone, die sich erstmals seit fünf Jahren auf dem Rückzug befinden. Laut einer ersten Schätzung des Statistikamts Eurostat gingen die Verbraucherpreise in der Europäischen Gemeinschaft um 0,2 Prozentpunkte zurück. Die Entwicklung ist den stark gesunkenen Energiepreisen zu verdanken, um 6,3 Prozent verringerte Ölpreise entlasteten die Konsumentengeldbörsen.
Europa wird erstmals seit der letzten Finanzkrise von zurückgehenden Preisen bedroht, die letzten Anzeichen einer drohenden Deflation wurden im Oktober 2009 registriert, damals fielen die Preise um 0,1 Prozent. Während die Experten mit einem gleichen Wert wie vor fünf Jahren rechneten, wird die EZB nun mit einem wesentlich stärkeren Preisrückgang konfrontiert.
Die Europäische Zentralbank unter Zugzwang
Was für die Autofahrer als Segen erscheint, zwingt die EZB zum schnellen Handeln: Öl ist so billig wie schon lange nicht mehr. Ein Barrel der weltweit wichtigen Sorte Brent kostet mittlerweile nur noch etwa 50 Dollar, vor einem Jahr wurde dafür noch das Doppelte verlangt. Allerdings werden die günstigen Energiepreise von anderen Finanzinstituten als wirtschaftlicher Vorteil definiert, allein die Zentralbank sieht darin den Anfang einer Deflation. Die EZB sorgt sich wegen einer drohenden Abwärtsspirale in ganz Europa und wird wahrscheinlich noch in diesem Monat die heftig diskutierten Anleihenaufkäufe beschließen.
Angst vor einer breiten Abwärtsbewegung
EZB-Chef Draghi will Europa vor einer lang anhaltenden Deflation bewahren, denn ein Preisverfall auf breiter Front lähmt die Wirtschaft. Sinkende Realeinkommen sind dabei nur die eine Seite, ausbleibende Investitionen gefährden den Wirtschaftsstandort Europa auf lange Sicht. Doch mit welchen Maßnahmen kann die EZB der Deflation wirklich Einhalt gebieten?
Draghi hat sich mit der Demontage des Euros kaum Freunde gemacht, als Instrument der Deflationsbekämpfung eignet sich die umstrittene Vorgehensweise jedenfalls nicht. Ob Anleihenkäufe die richtige Medizin sind, bezweifeln zahlreiche Fachleute, denn die Banken haben eigentlich genug Kapital zur Kreditvergabe. Was ihnen fehlt, ist ausschließlich der Wille.
Keine gleichmäßige Entwicklung
Europa scheint auch bei der Deflation zweigeteilt, während die einigermaßen funktionierenden Nordstaaten eher zaghafte Ansätze eine Deflation zeigen, ist bei den traditionellen Sorgenländern des Südens der Preisrückgang wesentlich stärker ausgeprägt. Ob dabei allerdings unbegrenzte Ankäufe riskanter Anleihen für nachhaltige Besserung sorgen können, darf bezweifelt werden.