Mit seiner Idee begegnete Howard der Wohnungsnot in den großen britischen Städten zu Beginn des Industriezeitalters. Das Modell Gartenstadt umging mit genossenschaftlichem Konzept die bereits damals hohen urbanen Baukosten, indem es Siedlungen in der Peripherie sowie im Einklang mit der Natur schuf. Im Deutschland des frühen 20. Jahrhunderts wurden zahlreiche Siedlungen nach Howards Vorstellungen errichtet. Gegenwärtig findet erneut ein starker Zuzug in deutsche Großstädte statt, es fehlt an Wohnraum und die Kosten explodieren. Daher erinnern sich Experten, kommunale Bauträger sowie Baubehörden einer längst vergessenen Idee.
Die Beweggründe der historischen Gartenstadt
Als Howard mit seinem Konzept in die Öffentlichkeit ging, führten die britischen Arbeiter ein trostloses Leben in überfüllten Mietshäusern inmitten von rußgeschwängerten Industriestädten. Sie sollten nach seiner Idee in neu zu errichtenden Kleinstädten mit Selbstversorgergärten, Arbeitsplätzen und kulturellen Einrichtungen ein erfülltes Leben im Einklang mit der Natur führen. Um die Vorteile beider Lebensformen miteinander zu verbinden, wollte Howard für die Bewohner ein lebenslanges Wohnrecht auf Grundstücken, die der Gemeinschaft gehörten, erwirken. Seither wurden auch zahlreiche Gartenstädte in Deutschland gebaut, wobei der Grundidee nicht immer genau gefolgt wurde.
Die Gartenstadt der Nachkriegszeit
In den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts wurden die vor dem Krieg errichteten Gartenstädte zwar erweitert, zu Neubauten kam es jedoch nur vereinzelt. Die Grundidee erfuhr dabei eine mehr oder weniger starke Anpassung an den jeweiligen Zeitgeist. Bei einem 2015 fertiggestellten Projekt handelt es sich beispielsweise um eine vom lokalen Bauunternehmen errichtete herkömmliche Einfamilienhaussiedlung mit Wohnanlage für Senioren. Wird eine Idee mit sozialem Anspruch zum Marketingbegriff reduziert?
Gartenstadt 21
Gartenstädte des 21. Jahrhunderts sollen wieder an die Idee des Erfinders anknüpfen, so wünscht es sich jedenfalls das Institut BBSR in einer Studie vom Frühjahr 2016. Demnach verfügen Gartenstädte der Moderne über Qualitäten, welche bauliche Dichte mit öffentlichem Freiraum kombiniert. Neu zu errichtende Gartenstädte müssen unterschiedlichen sozialen Schichten bezahlbaren Wohnraum offerieren. Erreicht werden soll dies mit gemeinschaftlichen Finanzierungs- und Organisationsmodellen.
Beispiel Hamburg
Die Hansestadt verfügt bei Bergedorf über weitgehend landwirtschaftlich genutzte Flächen, auf welchen die Gartenstadt Oberbillwerder entstehen soll. Es handelt sich dabei um ein 120 Hektar großes Areal, auf dem wohl mehr als 5.000 Wohnungen Platz finden könnten. Die in unmittelbarer Nachbarschaft seit 1960 entstandenen Großsiedlungen zeigen die häufigen Fehler der Vergangenheit auf und inspirieren beim Projekt Oberbillwerder zu nachhaltigen Verbesserungen. Ab diesem Herbst können sich die Anwohner der Hansestadt einbringen, der städtebauliche Wettbewerb folgt 2017 und der Baubeginn ist für 2020 geplant. Dann wird sich zeigen, inwieweit die Grundidee Howards bei der Gartenstadt 21 Umsetzung findet.