Das aktuelle Geldsystem - mangels Alternative zukunftsträchtig?

Aus Sicht vieler Experten und Verbraucher stößt unser Geldsystem an seine Grenzen. Die diffusen Ängste sind berechtigt: Die im Umlauf befindliche Geldmenge wächst stetig an. Eine Krise des Geldes steht damit zumindest als Möglichkeit im Raum. Unser Geldsystem beruht im Kern auf virtuellem Geld, das zwischen verschiedenen Konten und auch Kontinenten unterwegs ist.


Geldsystem

Angesichts der Finanz- und Schuldenkrisen der vergangenen Jahre stellen sich sowohl Geldmarkt-Experten als auch Verbraucher zunehmend die Frage, was dieses Geld - und damit unser Geldsystem - im "worst case" überhaupt noch wert sind. Vor dem "Ende des Scheins" warnen seit dem Beginn des Jahres gleich mehrere Bücher - ihr Fazit: Eine Reform des Geldsystems steht dringend an. An der Frage, wie diese von statten gehen soll, scheiden sich allerdings die Geister.  Die verschiedenen Theorien dazu lesen sich bislang als Utopie. Ob sie einen realen Kern enthalten oder das aktuelle Geldsystem mangels Alternativen unverändert bleibt, wird erst die Zukunft zeigen. Die Kritiker des derzeitigen Geldsystems vertreten zwei unterschiedliche Thesen. Zum einen wird hier die Befürchtung laut, dass den Notenbanken die Steuerung und Kontrolle der Geldmärkte entgleiten könnte. Im Gegensatz dazu steht der Gedanke, dass gerade die Macht der Notenbanken das aktuelle Geldsystem zerstören könnte, falls dieses in Zukunft vorrangig politisch definiert wird. Für das Verständnis der Debatte ist zunächst die Frage wichtig, wie Geld im heutigen Geldsystem überhaupt in Umlauf kommt. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung liegt die Geldschöpfung keineswegs ausschließlich bei den Notenbanken. Auch Geschäftsbanken erzeugen kontinuierlich Geld - unter anderem passiert dies im Rahmen der Kreditgewährung. 

Virtuelles Geld als Basis unseres Geldsystems

In Europa ist derzeit eine zahlungsfähige Geldmenge von etwa 5,2 Billionen Euro im Umlauf. Bargeld - also reales Geld - sind davon nur etwa 879 Milliarden Euro. Der übergroße Rest existiert in unserem Geldsystem nur als virtuelles Geld - als sogenannte "Sichteinlagen" auf den diversen Konten. Dieses Geld ist zunächst durch keinen realen Wert gedeckt, sondern zum größten Teil ein "Produkt" der Banken. Bei einer Kreditvergabe erhält der Darlehensnehmer de facto virtuelles Geld, das er jedoch wie reales Geld verwenden kann. Aus Sicht der Bank wird das Darlehen jedoch erst real, wenn der Kredit vollständig bezahlt ist. Brisant ist das Prinzip im Hintergrund: Für das Darlehen müssen die Banken eine Mindestreserve bei der Zentralbank deponieren, seit Anfang 2012 liegt diese bei nur einem Prozent. Für eine Kreditsumme von 10.000 Euro werden also 100 Euro Mindestreserve fällig, der Rest der Summe ist nicht durch reales Geld gedeckt. Wenn das Darlehen in den Bilanzen einer anderen Bank als Sichteinlage respektive als Guthaben erscheint, erhöht diese damit ihr Kreditvergabe-Potential und schafft damit noch mehr virtuelles Geld. Unser aktuelles Geldsystem beruht auf einem solchen fraktionalen (unvollständigen) Reservesystem. Kritiker stellen diese Basis nun in Frage.

Geldsystem-Reform gegen Inflation und spekulative Blasen

Bei der Kritik des Geldsystems spielen die Erfahrungen aus der Finanzkrise eine zentrale Rolle: Die aktuelle Krise startete ursprünglich mit der geplatzten Immobilienblase in den US sowie der Überschuldung der Banken und ihrer privaten Hypotheken-Kunden. Daraus ergab sich zwangsläufig die Frage, wie stabil ein Geldsystem auf Dauer ist, in dem die Banken die vorhandene Geldmenge maßgeblich erzeugen, zumal bisher innerhalb des Systems hierfür keine Korrektive existieren. Seit dem Beginn der Krisenjahre haben Volkswirtschaftler und Finanzexperten verschiedene Alternativszenarien entwickelt, die vom sogenannten Vollgeld  über die Rückkehr zu einer goldgedeckten Währung bis zu Bitcoin und regionalen Geldsystemen reichen.

Vollgeld als Sicherheits-Option oder Regulierung durch den freien Markt?

Beim Vollgeld als Basis für das Geldsystem wird den Banken gesetzlich untersagt, im Zuge der Kreditvergabe neues virtuelles Geld zu schöpfen. Die Mindestreserve für alle kurzfristigen Einlagen müsste dann 100 Prozent betragen. Alternativ würde die Möglichkeit der Schöpfung und Weitergabe von Geld - also auch die Kreditvergabe -  ausschließlich der Zentralbank zugestanden, um die Geldmenge und damit das Geldsystem wirksam zu kontrollieren.  Das Modell würde durch die Geldmengen-Kontrolle sogar einen Einfluss auf die Konjunktur-Zyklen erlauben, spekulative Blasen könnten vermieden werden.  Allerdings stellt es auch die Relevanz von Sichteinlagen als Geschäftsgrundlage der Banken insgesamt in Frage.   Damit verbunden ist die Überlegung, welche Macht den Zentralbanken künftig wirklich zugestanden werden sollte. Kritiker führen an, dass die Notenbanken Geld auch aus primär politischen Gründen in Umlauf bringen. Der österreichische Ökonom Friedrich August von Hayek hatte als hier eine radikale Lösung schon vor Jahrzehnten vorgeschlagen, das Geldsystem vollständig an private Banken und den freien Markt zu binden. Die Wertbemessung des privat geschöpften Geldes könne durch einen Rohstoff-Warenkorb  erfolgen. Markt und Kunden würden in diesem Fall automatisch die wertstabilsten Währungen präferieren. 

Goldpreisbindung und alternative Geldsysteme - Illusionen mit limitierter Wirkung

Die Verbraucher würden vermutlich eine goldgedeckte Währung analog zur deutschen Goldmark vor dem ersten Weltkrieg präferieren. Auch eine Bindung des Geldwerts an den Goldpreis wie für den US-Dollar im Bretton-Woods-Währungssystem vom Ende des zweiten Weltkriegs bis 1973 würde Geldmengen und damit Inflation wirksam begrenzen. Ökonomen sehen dieses Szenario allerdings trotzdem mehr als kritisch: Eine komplette Golddeckung hat historisch bereits im deutschen Kaiserreich versagt und galt de facto nur für ein Drittel des Papiergelds. Die Goldpreis-Bindung kann zwar in einem einzelnen Land die bewusste Erzeugung von Inflation verhindern, würde die nationalen Folgen internationaler Krisen jedoch immens verschärfen. Die Online-Währung Bitcoin wurde zwar gerade von der Bundesregierung als "private Währung" akzeptiert, als Basis für ein neues Geldsystem ist sie jedoch schon durch ihre extremen Kurschwankungen ungeeignet.

Die Idee - und Realität - regionaler Geldsysteme stammt unter anderem aus der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre, ihre Funktionsfähigkeit in größerem Maßstab ist unbewiesen. Der aktuelle Trend der Diskussion bewegt bis auf weiteres in Richtung einer limitierten Macht der Notenbanken, zielt jedoch nicht darauf, das Geldsystem insgesamt zu reformieren.  Mit dessen grundlegender Veränderung ist in naher Zukunft nicht zu rechnen. Zu hoffen bleibt, dass eine solche nicht aus einer - bisher hypothetischen - globalen Geldkrise, sondern aus der Ratio des Marktes und seiner Akteure entstehen wird.


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