Im Jahr 2008 wurde der Bitcoin zum ersten Mal in einem Weißbuch vorgestellt. Es handelt sich dabei um eine Kryptowährung, die ausschließlich online existiert. Von Zentralbanken oder Regierungen wird das virtuelle Geld nicht mitgetragen. Bisher ist nicht einmal bekannt, wer den Bitcoin ursprünglich entwickelt hat. "Geschürft" werden die Geldeinheiten dezentral in einem digitalen Netzwerk, dessen Teilnehmer hierfür einen sogenannten Bitcoin-Klienten nutzen und über das Internet verbunden sind. Der Besitz der virtuellen Währung wird durch kryptografische Schlüssel nachgewiesen. Bitcoins können zwischen den Usern des Netzwerks beliebig überwiesen werden, die Transaktionen werden durch digitale Signaturen abgesichert und in einer für alle Teilnehmer einsehbaren Datenbank aufgezeichnet. In Online-Börsen lässt sich das Online-Geld in andere Währungen tauschen. Im Netz wird es zum Teil auch als eigenständiges Zahlungsmittel akzeptiert.
Die aktuelle Krise zerstört den Bitcoin-Mythos
In den letzten drei Jahren ist der Bitcoin aus seiner Nischenexistenz durch und für Computer-Freaks tendenziell herausgekommen und wurde zunehmend auch für die breite Masse attraktiv. Immer mehr Händler akzeptierten die virtuelle Währung. 2011 hatte ihr Kurs noch bei einigen Cent gelegen, zum Jahresende 2013 hatte er einen Stand von über 1.100 US-Dollar erreicht. Anfang Februar folgte das Platzen dieser Blase. Nach den Hacker-Angriffen auf Mt. Gox und Bitstamp - die weltweit größten Bitcoin-Handelsplätze - und einer ebenso desaströsen Attacke auf die illegale Plattform Silk Road 2 ist der Kurs um über 60 Prozent eingebrochen, bei Mt. Gox notierte der Bitcoin zuletzt noch bei etwa 400 US-Dollar.
Die Vorteile der Kryptowährung sahen ihre Protagonisten bisher in drei verschiedenen Eigenschaften: Anonymität, da die Identität der Akteure bei Transaktionen verschlüsselt wird, relative Sicherheit vor Hackern sowie die Unabhängigkeit von Zwischenhändlern wie beispielsweise Banken. Für konventionelle Finanzdienstleistungen wirkt der Bitcoin daher auch als massiver Störfaktor, was seine Anhänger durchaus begeistert.
Alle drei Faktoren sind jetzt unter Beschuss geraten. Seine Anonymität ist den Finanzaufsichts- und Strafverfolgungsbehörden ein Dorn im Auge, unter anderem hegen sie den Verdacht, dass durch den Bitcoin Geld gewaschen wird. Den Nimbus der Immunität gegen Cyberkriminalität hat er nach den jüngsten Ereignissen ebenfalls verloren. Die Existenz an der Peripherie des Finanzsystems gilt inzwischen eher als Handicap. Master Card-Chef Ajay Banga stellte in der letzten Woche in einem Interview die entscheidende Frage: Welche Probleme soll der Bitcoin angesichts einer Vielzahl von etablierten Währungen eigentlich lösen?
Kann der Bitcoin die etablierten Zahlungssysteme ergänzen?
Durch die Krise könnte sich nun entscheiden, ob der Bitcoin in der Bedeutungslosigkeit verschwindet oder analog zum Siegeszug der E-Mail seinen historischen Durchbruch schafft. Um sich auf lange Sicht erfolgreich zu behaupten, müsste der Bitcoin sich im Vergleich zu bestehenden Zahlungssystemen als nützlicher erweisen.
In die Finanzinfrastruktur könnte er beispielsweise in mindestens zwei Bereichen eingebunden werden: Für kleinere internationale Transaktionen, beispielsweise Überweisungen ausländischer Arbeitnehmer in ihre Heimatländer, ließen sich durch die Kryptowährung sowohl die Kosten als auch der Zeitaufwand für solche Transaktionen mindern. Transfer-Spezialisten wie Western Union oder MoneyGram könnte ein in großem Maßstab etablierter Bitcoin in dieser Eigenschaft allerdings das Fürchten lehren. Der Chef der New Yorker Finanzaufsichtsbehörde, Benjamin Lawsky, plant bereits, die Tätigkeit von Bitcoin-Unternehmen in Anlehnung an die Vorschriften für die Transfer-Dienstleister zu regulieren. Zum anderen könnte sich der Bitcoin auf lange Sicht als eine offene Finanzplattform etablieren, deren Rolle die Funktionen einer Währung respektive Wertanlage überschreitet. Der Bitcoin könnte in diesem Kontext ein universales Hauptbuch werden, in dem unzählige Transaktionen und Datentypen bis hin zu Eigentumsnachweisen an Autos oder Immobilien gespeichert werden könnten. Eine solche Plattform wäre - eine experimentierfreudige Gesellschaft vorausgesetzt - künftig eine unabhängige, sichere und zuverlässige Anlaufstelle für persönliche und finanzielle Informationen.
Umsetzen lassen sich solche Visionen jedoch nur, wenn zuvor einige Bedingungen erfüllt sind. Erstens müsste die Infrastruktur der Bitcoin-Börsen grundlegend erneuert werden. Bisher ist sie anonym und anfällig für kriminelle Manipulationen. Nötig wären Börsen in den USA und anderenorts, die der Aufsicht der Finanzbehörden unterstünden. Zweitens müssten sich institutionelle Anleger wie beispielsweise Pensionsfonds für den Bitcoin engagieren, um dessen dramatische Kursausschläge einzudämmen. Und last but not least müssten die Banken den Bitcoin als ein reguläres Zahlungsmittel akzeptieren und ihren Kunden ermöglichen, die virtuelle Währung in reales Geld zu wechseln. Zum Ersatz für etablierte Geldsysteme wird der Bitcoin auch vor einem solchen Hintergrund nicht werden, eine komplementäre Funktion könnte er durchaus erfüllen. Etwas Nostalgie ist mit einem solchen Szenario allerdings auch verbunden: Mit einem solchen Ausblick würde die ursprünglich subversive Kryptowährung zu einem normalen Bestandteil der Finanzsysteme.