Arm und Reich - die Abstände werden größer
Eine alte Redewendung gewinnt wieder zunehmend an Bedeutung, sie sagt: Reiche werden immer reicher und Arme bleiben immer arm. Diese deprimierende Erkenntnis hat jetzt einen wissenschaftlichen Hintergrund. Denn führenden Ökonomen gelang jetzt der Beweis, dass volkswirtschaftliche Kapitalvermögen meist schneller wachsen als die Volkswirtschaft als Solches. Die Ergebnisse befeuerten nicht nur die Ungerechtigkeitsdebatten zum Kapitalismus in vielen Ländern, sie trafen dort auch im Zeitgeist auf fruchtbaren Nährboden. In Deutschland wird der Ruf nach effizienten Steuern unüberhörbar, denn nirgends sonst sind Vermögenswerte ungleicher verteilt als hier. Welche Steuern könnten die Kluft zwischen Arm und Reich minimieren?
Würde stärkere Erbschaftsbesteuerung den Abstand zwischen Arm und Reich beseitigen?
Für die höhere Besteuerung von leistungslosem Einkommen sprechen sich viele Fachleute aus. Doch der Ansatz wird bei Erbschaften durch großzügige Freibeträge unterlaufen:
- Kinder können bei Erbschaften von den Eltern 400.000 Euro ohne Steuern kassieren, erst darüber sind Abgaben fällig.
- Erbschaften von Unternehmen laufen oft vollkommen steuerfrei ab, denn die seit 2009 gültige Erbschaftssteuernovellierung schuf hier lukrative Möglichkeiten.
Steuerexperten beklagen, dass die Freibeträge weit über die Ziele hinausgeschossen sind und daher die Kluft zwischen Arm und Reich nicht verkleinern können. Das Bundesverfassungsgericht wird sich auf Anfrage des Bundesfinanzhofs noch in diesem Jahr mit den Freibeträgen befassen. Experten halten die Erbschaftssteuer für geeignet, ohne Störung der Wirtschaftsdynamik Vermögen neu zu verteilen.
Die Anhebung des Spitzensteuersatzes bringt Arm und Reich kaum zusammen
Ökonomen und linksorientierte Parteien fordern bis zu 80 Prozent Steuern für Topverdiener. Doch führt eine Anhebung des Spitzensteuersatzes nicht zu mehr Gerechtigkeit bei Arm und Reich. Er würde in erster Linie die arbeitenden Mitglieder der Volkswirtschaft treffen, doch diese sind mit Gehältern von 50.000 Euro nicht wirklich reich. Trotzdem müssen sie in dieser Größenordnung bereits hohe Steuern entrichten. Die richtig Vermögenden haben genug Möglichkeiten, sich der Steuerbelastung weitgehend zu entziehen.
Bringt die Abschaffung der Abgeltungsteuer Arm und Reich wieder zueinander?
Arbeitnehmer müssen verdienstabhängig bis zu 42 Prozent Steuern auf ihr Gehalt abführen. Kapitalanleger bezahlen hingegen pauschal nur 25 Prozent Abgeltungssteuer. Die Pauschalsteuer sollte nach der letzten Krise die Abwanderung deutscher Investoren ins Ausland verhindern. Die Regierung entschied sich damals für die 25 Prozent, weil sie sonst leer ausgegangen wäre. Doch haben sich die Voraussetzungen für Kapitalflüchtlinge durch die Beseitigung von Nischen enorm verändert. Die Abgeltungssteuer könnte entfallen und normalen Steuern auf Einkommen Platz machen. Der Unterschied zwischen Arm und Reich würde durch diese Art von Steuergerechtigkeit wieder etwas kleiner werden.