Nach einem Höhenflug, der zu Steve Jobs Zeiten nahezu unaufhaltsam schien, ist nach einer aus Investorensicht wenig überzeugenden Produktpräsentation die Apple-Aktie deutlich eingebrochen. Der Börsenwert des Konzerns aus Cupertino ist am vergangenen Donnerstag innerhalb weniger Stunden um über 20 Milliarden Euro gesunken, was der gemeinsamen Marktkapitalisierung von Commerzbank, Lufthansa und Thyssen-Krupp entspricht. Analysten kommentierten, dass Apple zum Opfer seines eigenen Erfolges geworden sei.
Unternehmensgröße und bisherige Erfolge - kein Garant für Zukunftsfähigkeit
Der Apple-Absturz erweist sich als exemplarisch für ein Phänomen, das sich auch bei anderen Aktien wiederfindet und für ihre Renditechancen entscheidende Bedeutung haben kann. Wenn einer Aktie gemessen am Börsenwert des Unternehmens - also dem Produkt aus Zahl der Aktien und ihrem Kurs - zum stärksten Titel eines Landes, einer Branche oder sogar der Welt wird, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das Papier dem "Fluch der Sieger" unterliegt und sich in den folgenden Jahren deutlich schlechter entwickelt als der Gesamtmarkt.
Viele Privatanleger scheitern in ihrer Anlagestrategie exakt an diesem Phänomen: Sie orientieren sich an den bisherigen Gewinnern, ohne zu bedenken, dass diese ihren Höhepunkt oft bereits überschritten haben. Als wichtigstes Entscheidungskriterium für den Kauf solcher "Jumbo-Aktien" dient oft die Vermutung, dass die Größe eines Unternehmens und sein bisheriger Erfolg auch in der Zukunft sichere Kursgewinne garantieren.
Sieger-Aktien: In der nächsten Dekade oft deutlich schlechterer Trend als der Gesamtmarkt
Der US-amerikanische Fondsmanager und Kapitalmarkt-Researcher Robert Arnott belegt den "Fluch des Siegers" mit konkreten Zahlen. Für seine Analyse hat er die Kursentwicklung von Aktien an den neun weltweit wichtigsten Börsen für den Zeitraum 1981 bis 2010 ausgewertet. Sein Fazit: Aktien, die gemessen am Börsenwert zum größten Titel einer Branche werden, schneiden in der folgenden Dekade pro Jahr um 4,3 Prozentpunkte schlechter ab als der Branchendurchschnitt. Gleiche Relationen zeigen sich für Aktien, die zum größten nationalen Titel aufgestiegen sind. Hierfür ist Apple exemplarisch. Im August 2011 erreichte die Apple-Aktie die US-amerikanische Spitzenposition. Die US-Indizes S&P 500 sowie der Nasdaq legten seitdem um jeweils rund 50 Prozent zu, Apples Marktkapitalisierung wuchs im Vergleich nur rund um etwas mehr als die Hälfte.
Das Phänomen zeigt sich nicht nur in den USA, sondern mit Abstufungen in allen Ländern. In Deutschland schnitten Aktien, die zum temporären nationalen Sieger wurden, in den nächsten zehn Jahren im Vergleich zum Gesamtmarkt pro Jahr um 7,8 Prozentpunkte schlechter ab. Bei einer Verdopplung des Gesamtmarkts verbirgt sich dahinter de facto die Stagnation von Börsen-Riesen wie der Deutschen Telekom, der Allianz, des Energiekonzerns E.on oder Siemens, deren Aktien jeweils irgendwann die deutsche Spitzenposition belegten. Mit Blick auf die Renditechancen auf dem globalen Aktienmarkt konstatiert Arnott, dass Anleger, die im Jahr 1981 1.000 US-Dollar in Aktien investierten, ihr Anlagevermögen in den folgenden 30 Jahren versechzehnfachen konnten. Falls sie allerdings nur die jeweils größten Aktien ihres Landes kauften, verloren sie im gleichen Zeitraum inklusive Dividenden rund die Hälfte respektive unter Einrechnung der Inflation rund 90 Prozent ihres in Aktien investierten Vermögens.
Gut diversifizierte Aktien- und Fonds-Depots - für Privatanleger ein Muss
Für Anleger unterstreicht der "Fluch der Sieger" natürlich aber auch die vorangegangene Finanzkrise die Notwendigkeit eines gut diversifizierten Aktien-Depots, in dem auch kleinere Werte sowie breit gestreute Fonds eine zentrale Rolle spielen. Schwächelnde Werte der "ganz Großen" sollten rechtzeitig, also möglichst vor persönlichen Investitionsverlusten, abgestoßen werden. Eine gesunde Skepsis gegenüber den Sieger-Werten kann generell nicht schaden. Die nächsten Titel, die sehr wahrscheinlich irgendwann der "Fluch der Sieger" trifft sind übrigens weltweit und in den USA die Titel des US-amerikanischen Ölkonzerns Exxon Mobil, Nestlé-Aktien in Europa sowie die deutschen Bayer-Aktien.