Mit dem 1999 eingeführten Verbraucherinsolvenzverfahren hat der deutsche Gesetzgeber erstmals für Privatleute die Möglichkeit einer Restschuldbefreiung und damit eines finanziellen Neustarts geschaffen. Im Geschäftsleben gibt es den "Konkurs" dagegen schon lange. Doch es bestehen erhebliche Privatinsolvenz-Nachteile.
Ein langer und dorniger Weg
Wer das Verbraucherinsolvenzverfahren beschreitet, hat einen langen und dornigen Weg vor sich, bis es tatsächlich zur Restschuldbefreiung kommt. Der Gesetzgeber hat dem Schuldner zunächst eine mehrjährige Wohlverhaltensphase auferlegt, in dem dieser mehr als nur "Goodwill" zur Begleichung von Schulden zeigen muss. Im Regelfall dauert diese Zeit mindestens sechs Jahre. Unter bestimmten Bedingungen kann sie auf drei Jahre verkürzt werden. Dann müssen aber mindestens 35 Prozent der offenen Forderungen beglichen und die Verfahrenskosten vollständig bezahlt sein. Nur einem Teil der Schuldner ist das tatsächlich möglich.
Während der Wohlverhaltensphase sind die persönlichen Freiheitsgrade stark eingeschränkt. Schuldner führen in dieser Zeit ein "Leben unter Aufsicht" mit eng begrenzten finanziellen Spielräumen. Es besteht die Verpflichtung, einer angemessenen Erwerbstätigkeit nachzugehen bzw. sich darum zu bemühen. Arbeitsplatz- und Wohnsitzwechsel sind mitteilungspflichtig. Bei Erbschaften fließt die Hälfte des ererbten Vermögens in die Gläubigerbefriedigung. Besteht ein Pfändungsschutzkonto, kann zwar weiter über Zahlungseingänge auf dem eigenen Konto für die notwendige Lebensführung verfügt werden - mehr aber auch nicht.
In England ist vieles anders
Mindestens genauso belastend sind die indirekten Auswirkungen. Die Privatinsolvenz führt zu einem entsprechenden Schufa-Eintrag und wirkt bei vielen Geschäften des täglichen Lebens als K.O.-Kriterium. Wohnungswechsel, Ratenkäufe, Handyverträge und andere Verträge mit Schufa-Abfrage werden faktisch unmöglich. Besonders ärgerlich: auch wenn das Insolvenzverfahren ordnungsgemäß abgeschlossen ist, bleibt der Schufa-Eintrag weiter bestehen - für noch drei lange Jahre. Das wirkt wie ein Stigma.
Wesentlich einfacher ist die Privatinsolvenz in England. Hier ist eine Restschuldbefreiung bereits nach zwölf Monaten möglich. Und auch die Auflagen sind nicht so streng wie in Deutschland. So besteht keine zwingende Erwerbspflicht, Vermögen ist besser vor Zugriff geschützt und die finanziellen Verfügungsmöglichkeiten werden oft großzügiger gehandhabt. Dank (noch geltendem EU-Recht) können auch deutsche Staatsbürger von der englischen Privatinsolvenz Gebrauch machen - wer weiß Brexit-bedingt wie lange noch! Voraussetzung ist allerdings eine längerzeitige Verlagerung des Wohnsitzes und Lebensschwerpunktes nach England. Mancher, der die Privatinsolvenz-Nachteile in Deutschland vermeiden möchte, nimmt dies gerne in Kauf.