Die kalte Progression im Fokus
Zur Erinnerung: Von der kalten Progression sprechen Arbeitnehmer, die beispielsweise durch Lohnerhöhungen in eine höhere Steuerklasse rutschen und damit eventuell weniger Netto-Einkommen zur Verfügung haben. Das Problem wurde in der Vergangenheit immer wieder angegangen, doch sah Finanzminister Schäuble bislang nie genügend finanziellen Spielraum für effiziente Maßnahmen.
Die Durchsicht der neuesten Steuerschätzung inspirierte den Finanzminister zu einer gegenteiligen Ansicht: Ab dem kommenden Jahr soll die kalte Progression etwas von ihrem Schrecken verlieren. In selten gesehener Einstimmigkeit wurde der Vorschlag von Kanzlerin Merkel sowie Bundesminister Gabriel bereits angenommen.
Schäubles Plan zur Stärkung der Kaufkraft
Was dem Finanzminister vorschwebt, kommt einer kleinen Steuerreform gleich. Der Steuertarif wird nach rechts verschoben, wodurch die höheren Einkommen automatisch stärker belastet werden als zuvor. Grundlage dafür sollen die Preissteigerungen der letzten beiden Jahre sein. Bund, Länder und Kommunen werden voraussichtlich 1,5 Milliarden Euro an Steuereinnahmen verlieren, von der Entlastung profitieren die Bürger angesichts der geringen Inflation in geringerem Umfang als erhofft.
Schäuble geht es jedoch ums Prinzip, wobei er zunächst noch die Länder überzeugen muss. Die sollen nicht überfordert werden, sondern an der höheren Kaufkraft der Verbraucher partizipieren. Es geht allen Beteiligten darum, den derzeitigen Aufschwung bei den arbeitenden Steuerzahlern ankommen zu lassen. Die Gelegenheit ist günstig, denn es steht 2016 ein ansehnliches Steuer-Plus ins Haus.
Steigende Steuereinnahmen
Bund und Länder können in den kommenden Jahren von wesentlich höheren Steuereinnahmen ausgehen als angenommen. Die anhaltend gute Konjunktur spült dem Fiskus bis 2019 knapp 40 Milliarden Euro mehr in die Kasse, allein 2015 liegen die Einnahmen gut sechs Milliarden über der entsprechenden Schätzung.
Den Steuerzahlern soll durch die Eindämmung der kalten Progression mehr Geld erhalten bleiben, für zusätzliche Wünsche sieht Finanzminister Schäuble allerdings keinen Spielraum mehr.