Der 'Wal von London'
Im Zentrum des Derivate-Skandals steht der frühere JP Morgan-Händler Bruno Iksil. Er hatte zusammen mit anderen Händlern im vergangenen Jahr an der Londoner Börse eine riesige Spekulationsblase um Kreditausfallversicherungen (im Fachjargon kurz CDS = Credit Default Swaps) in Gang gesetzt. Iksil und seine Kompagnons spekulierten in großem Umfang auf fallende CDS-Kurse - ein Irrtum wie sich herausstellte, denn die Preise zogen tatsächlich an. JP Morgan soll diese Fehlspekulation Verluste in Höhe von über sechs Mrd. Dollar beschert haben. Dem Händler trug das monströse Ausmaß seiner Handelsaktivitäten die Bezeichnung 'Wal von London' ein.
Marktmanipulation erwiesen
Die Aufsichtsbehörden werfen JP Morgan bzw. seinen Spekulanten versuchte Marktmanipulation vor. Mit riesigen Verkaufsaufträgen sollten CDS-Kurse gezielt nach unten gedrückt werden. Dies sieht die US-Finanzaufsicht CFTC inzwischen nach fast anderthalbjährigen Ermittlungen als erwiesen an. Unklar ist nach wie vor, in welchem Umfang JP Morgan von den Aktivitäten des 'Wals von London' vorher wusste und damit eine eigene Krise heraufbeschworen hat. Der Händler soll seine Chefs bereits vor dem Platzen der Blase über das Ausmaß der Geschäfte informiert und gewarnt haben. Iksil selbst wurde bisher denn auch nicht gerichtlich belangt. Die Untersuchungen richten sich vor allem gegen die Bank selbst und einige andere Händler, die ihre Positionen bewusst falsch bewertet haben sollen.
Über eine Mrd. Dollar Strafzahlungen
JP Morgan selbst versuchte zunächst, nach Aufdeckung der Spekulationsblase, abzuwiegeln. Als 'Sturm im Wasserglas' wurden die möglichen Effekte der Marktmanipulation bezeichnet. Die Aufsichtsbehörden sind allerdings anderer Ansicht. Bisher musste JP Morgan bereits 920 Mio. Dollar Strafe - u.a. wegen fehlender interner Kontrollen - zahlen. Mit den jetzt von der CFTC zusätzlich verhängten 100 Mio. Dollar summiert sich das Strafvolumen inzwischen auf über eine Mrd. Dollar. Zusammen mit den Rückstellungen für diverse Probleme (Vetternwirtschaft in China usw.) bescherte das der US-Bank erstmals seit neun Jahren einen Verlust im dritten Quartal dieses Jahres. Ob damit bereits ein Schlusspunkt erreicht ist, bleibt unsicher. Denn Staatsanwaltschaft und Börsenaufsicht ermitteln weiter.