Bis 1977 galt im deutschen Scheidungsrecht das Verschuldensprinzip. Der "schuldige" Ehepartner hatte danach überhaupt keinen Unterhaltsanspruch. Diese Regelung wurde in den 1970ern angesichts der gesellschaftlichen Wirklichkeit als nicht mehr zeitgemäß angesehen und man ging zum Zerrüttungsprinzip über. In der Folge wurde dem wirtschaftlich schlechter gestellten Teil - unabhängig von der "Schuldfrage" - ein Unterhaltsanspruch eingeräumt.
Es war einmal - Unterhalt bis zum Lebensende
Dabei zeigte sich die Rechtspraxis sehr großzügig. Zwar wurde schon damals im Gesetz die wirtschaftliche Eigenverantwortung des Begünstigten festgeschrieben, aber eingefordert wurde sie de facto nicht. Die Konsequenz war in sehr vielen Fällen eine lebenslange Unterhaltszahlung. Profitiert haben vor allem Frauen, die wegen der noch vorherrschenden traditionellen Rollenverteilung häufig nicht berufstätig und daher ohne Einkommen waren. Sie mussten sich auch nach der Scheidung kaum um eine Tätigkeit bemühen.
Das änderte sich mit einer weiteren Reform im Jahre 2008. Auch hierfür waren veränderte gesellschaftliche Verhältnisse maßgebend. Die berufstätige Ehefrau mit eigenem Einkommen ist inzwischen mehr die Regel als die Ausnahme geworden, auch nach der Scheidung steht sie nicht mittellos da. Daher betont die Unterhaltsreform 2008 das Prinzip der Eigenverantwortung deutlicher als früher. Unterhaltsansprüchen, die sich an den Verhältnissen in der Ehe orientieren, werden zeitlich enge Grenzen gesetzt - der Unterhalt bis zum Lebensende nach gewohntem Standard wurde de facto abgeschafft.
Riskante Untätigkeit - bittere Enttäuschung droht
Mental angekommen ist diese gravierende Veränderung bei den potenziell Betroffenen - es handelt sich ganz überwiegend um Frauen - allerdings bis heute nicht. Das ergibt zumindest eine Studie des RWI-Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung. Danach hat die Verschlechterung der Unterhaltsansprüche praktisch keine Verhaltensänderung in Bezug auf berufliche Aktivitäten bewirkt. Das war aber ein Ziel der Reform.
Untersucht wurden zwei Gruppen von Frauen - die einen verheiratet (mit Ehebeginn vor der Reform), die anderen unverheiratet. Bei beiden Gruppen nahm zwar die Erwerbstätigkeit im Zeitablauf zu, dabei gab es allerdings keinen gravierenden Unterschied. Man hätte eigentlich erwarten können, dass die verheirateten Frauen "aus Vorsorge" stärker in den Beruf drängen. Doch das ist offenbar nicht der Fall. Angesichts der nicht geringen Scheidungswahrscheinlichkeit ist diese zuwartende Haltung riskant. Die böse Überraschung droht, wenn tatsächlich der Fall des Falles eintritt. Dann könnte manche Unterhaltshoffnung bitter enttäuscht werden.