Sie können das Phänomen beinahe täglich in der Zeitung verfolgen - immer wieder kommt es zu zunächst unerklärlichen, verhängnisvollen Karambolagen mit Verletzten und Toten. Die Polizeibeamten tappen bei der Rekonstruktion des Unfallhergangs im Dunkeln. Die Wahrheit kommt nur selten ans Licht und die Fälle werden oftmals als unerledigt abgeschlossen.
Bei den meisten Unfällen können technische Defekte oder Alkoholeinfluss ausgeschlossen werden - Medikamente als Unfallursache sind nicht Standard in der üblichen Routine.
Der Faktor Mensch erfährt bei der Unfallaufklärung zu wenig Beachtung
Bekannte Rechtsmediziner verweisen darauf, dass bei der Ursachenforschung medizinische Aspekte nur untergeordnete Stellenwerte einnehmen. Beim Unfallhergang spielen Krankheiten und deswegen eingenommene Medikamente aber tatsächlich größere Rollen als bisher gedacht. Mit Blutuntersuchungen würden nicht nur Medikamenteneinnahmen bei Unfallbeteiligten festgestellt; auch durch konsequente Checks könnten langfristig Unfälle vermieden werden.
In der Praxis beschränken sich Blutproben meist auf Rauschmittel wie Alkohol oder Cannabis, auf Arzneimittel dagegen wird dabei nur sehr selten getestet. Zudem plant die Regierung derzeit die generelle Abschaffung der Blutprobe und leistet damit weiteren Zusammenstößen mit "unbekannter Ursache" Vorschub.
Auf Studien und Schätzungen angewiesen
Aus oben geschilderten Gründen kann die Dimension dieser Problematik nur mit Schätzungen beschrieben werden. Eine kommt von der Bundesanstalt für Straßenwesen. Darin steht, dass Medikamente von elf Prozent der Autofahrer über 65 eingenommen werden. Die DGVM geht davon aus, dass die Ursache bei sieben Prozent aller in Deutschland passierten Unfälle auf Fahruntüchtigkeit durch Medikamenteneinfluss zurückzuführen ist.
Dementsprechend ereignen sich hierzulande jährlich 161.000 Unfälle, weil mindestens einer der Fahrzeuglenker im Arzneimittelrausch fährt. Der Wert sei, anderen Verkehrsexperten gemäß, sogar eher bei 20 bis 25 Prozent angesiedelt.
Steigender Medikamentenkonsum
Im vergangenen Jahr setzte die Pharma-Branche nahezu 48 Milliarden Euro um, somit 5,3 Prozent mehr als 2013. Etwa 20 Prozent der verkauften Arzneimittel sollten allerdings aufgrund ihrer Auswirkungen für Autofahrer tabu sein. Wenn Sie als Autofahrer auch Medikamente einnehmen müssen, denken Sie sicherlich an die Einschränkung der Fahrtauglichkeit um bis zu 24 Stunden. Nach 16 Stunden sind die Auswirkungen bestimmter Arzneimittel immer noch mit denen von Blutalkoholwerten bei 0,5 bis 0,8 Promille vergleichbar.
Wenn Sie beispielsweise Beruhigungsmittel einnehmen, steigt Ihr Unfallrisiko dem TÜV entsprechend auf 3,5-fache Werte an, bei rezeptpflichtigen Schmerzmitteln erhöht sich Ihr Risikofaktor auf 2,5. Ähnlich verheerend wirken sich Medikamente gegen Depressionen aus.
Sie können zwei Dinge tun, um ihr eigenes Unfallrisiko zu mindern. Fordern Sie von Ihrem Hausarzt konkrete Informationen zur Fahruntüchtigkeit bei der Einnahme eines verschriebenen Arzneimittels. Und: Vermeiden Sie nach Möglichkeit das Autofahren unter Medikamenteneinwirkung.