Mittelstandsanleihen: Hohe Zinsen, hohe Risiken

Mittelstandsanleihen werben mit Bodenständigkeit und versprechen hohe Zinsen, bergen jedoch auch hohe Risiken. Diese Erfahrung müssen derzeit unter anderem verschiedene gemeinnützige Organisationen sowie Kirchen machen. Experten sahen diese Anlageklasse seit jeher skeptisch. Das evangelische Stadtdekanat München hat sich derzeit mit einer Personalie zu beschäftigen, bei der es um missglückte Investitionen in Mittelstandsanleihen geht.


Mittelstandsanleihen

Gegen den inzwischen beurlaubten Leiter seiner Finanzabteilung wird wegen des Verdachtes der Untreue ermittelt. Zuvor hatte er rund 15 Millionen Euro der Gesamtrücklagen von 32 Millionen Euro in verschiedene Mittelstandsanleihen investiert. Die emittierenden Unternehmen - der Onlinehändler Getgoods, der Abfallverwerter FFK sowie zwei Solarstromunternehmen - meldeten seit April 2013 sukzessive Insolvenz an. Die Vorgaben des Dekanats für die Geldanlagen - vorrangig konservativ, jedoch mit Risikobereitschaft - hatten sie damit nachweislich nicht erfüllt.

Sind Mittelstandsanleihen ein Werbephänomen?

Mittelstandsanleihen sind zumindest verbal ein Werbephänomen. Mit dem Begriff "Mittelstand" assoziieren viele Anleger Bodenständigkeit, Sicherheit und Vertrauen - und machen sich möglicherweise nicht wirklich klar, dass mit den Papieren auch hohe Risiken verbunden sind. Finanz-Experten fürchteten von Anfang an, dass Mittelstandsanleihen schlecht informierte Anleger dazu verleiten könnten, diese Risiken einzugehen. Hinter den Mittelstandsanleihen stehen zum Teil eher kleine und finanzschwache Unternehmen. Offenbar haben  nicht zuletzt Stiftungen und Kirchen - möglicherweise auch noch mit der Idee des "guten Zwecks" -  in die Papiere solcher Firmen investiert. Die Renditeversprechen von Mittelstandsanleihen sind oft immens.

2010 hatte der Solarzulieferer 3W Power eine Anleihe mit einem Zins von 9,25 Prozent herausgegeben - die Rating-Agentur Standard & Poors hatte das Unternehmen zuvor mit "B" bewertet. Die Gründe: 3W Powers verfüge über ein verwundbares Geschäftsmodell, die Nachfrage sei schwankungsanfällig, die Existenz des Unternehmens selbst hänge von einer Erholung des Solarmarkts ab. Eduard Schopf, Sohn des Eduscho-Gründers Eduard Schopf, und seine Ehefrau zeichneten Mittelstandsanleihen im Volumen von 6,5 Millionen Euro, die sie durch Treuhandstiftungen an sechs Hilfsorganisationen übertrugen. Die Empfänger waren die SOS-Kinderdörfer, die NPH-Stiftung als Träger weiterer Kinderdörfer in Lateinamerika, die Deutsche Welthungerhilfe sowie die Stiftung Bethel. Über die Treuhandstiftungen sollten die Nutznießer in den Genuss einer Tilgung sowie von Zinsen kommen. Im Dezember 2013 drohte bei 3W Powers der Zahlungsausfall. Die Zinsen wurden nicht fristgerecht gezahlt, einen Tag vor der bereits anberaumten Gläubigerversammlung brachte ein neuer Eigentümer des Unternehmens zunächst die Lösung.

Beobachter befürchten allerdings, dass das Problem allenfalls vertagt ist und ein neuer Umschuldungsvertrag den Kapitalzufluss für die Stiftungen absehbar beschränkt. Rolf Schopf ließ über die NPH-Stiftung verlauten, dass er zutiefst bedauere, dass seine Investitionsentscheidung nun das Kapital seiner Treuhandstiftungen gefährde, eine spekulative Anlage habe er nie geplant.

Hochspekulatives Anlagemodell - jedoch nicht ohne Chancen

Genau hier liegt das Problem: Mittelstandsanleihen sind hochspekulative Anlagemodelle. Erfolgreich sein können sie durchaus - wenn die Investition durch valide Informationen über das emittierende Unternehmen unterlegt ist. Privatanleger und nichtkommerzielle Institutionen sind mit der Beurteilung der Werte ohne eine professionelle und unabhängige Beratung jedoch recht regelmäßig überfordert.


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