Die Bundesbank sieht in der anhaltenden Niedrigzinsphase (Geldpolitik der EZB) bereits seit längerem ein beträchtliches Gefährdungspotential für die Versicherungsbranche. Bis zum Jahr 2023 dürfte rund ein Drittel der Unternehmen die Kapitalanforderungen an die Lebensversicherung nicht mehr erfüllen. Konkret handelt es sich in Deutschland dabei um 32 Versicherungen, die im Jahr 2012 einen Beitragsanteil von 43 Prozent repräsentierten.
Bei den geplanten Hilfsmaßnahmen für die Lebensversicherung geht es nun unter anderem um eine neue Verteilung der stillen Reserven der Versicherer zwischen alten und neuen Kunden respektive bestehenden und auslaufenden Verträgen, um das Kapital und die Garantieleistungen der Lebensversicherung besser abzusichern. In Deutschland existieren etwa 95 Millionen Verträge über eine Lebensversicherung, ausgezahlt werden davon pro Jahr etwa sieben Millionen.
Stille Reserven der Lebensversicherung: Steigender Buchwert durch das Zinstief
Bisher sind die Versicherungsunternehmen dazu verpflichtet, ihre Kunden an den sogenannten Bewertungsreserven - den Kursgewinnen ihrer Kapitalanlagen - zu beteiligen. Sowohl bei einer vorzeitigen Kündigung des Vertrages als auch beim regulären Ablauf der Police stehen den Versicherten die Hälfte der Bewertungsreserven zu. Bei kleinen Versicherungssummen beläuft sich diese Sonderzahlung auf einige hundert Euro, bei größeren Verträgen können jedoch auch bis zu 15.000 Euro zusammenkommen.
Die Crux dieses Systems liegt derzeit in zwei Punkten: Die Bewertungsreserven der Lebensversicherung sind aktuell auf einem besonders hohen Stand, da der Buchwert festverzinslicher Wertpapiere, welche die Versicherer seit Jahren halten, durch das Zinstief deutlich angestiegen ist. Um Kunden mit auslaufenden Verträgen an den Bewertungsreserven zu beteiligen, müssen die Assekuranzen nun immer mehr dieser Papiere verkaufen. Den Schaden haben nicht nur die Versicherungen selbst, sondern auch die Inhaber laufender Verträge, die mit sinkenden Renditen und Reserven-Beteiligungen rechnen müssen.
Neuregulierung der Lebensversicherung - nur im Interesse der Versicherer?
An diesem Punkt setzt aus Sicht der Kritiker die geplante Neuregulierung der Bundesregierung an. Eine Sprecherin des Finanzministeriums kündigte an, dass es dabei um ein "ausbalanciertes Maßnahmenpaket" gehen werde, das für einen fairen Ausgleich zwischen den Versicherern und ihren Kunden sorgt. Details sowie ein Zeitplan für die Umsetzung des Paketes wurden bisher nicht benannt. Die Lebensversicherung fordert seit langem politische Schritte in diese Richtung. Ein Versuch der schwarz-gelben Koalition, die Beteiligung der Kunden an den stillen Reserven zu begrenzen, scheiterte seinerzeit am Widerstand der Länder. Der Bund der Versicherten sowie die Opposition im Bundestag verbinden mit dem neuen Anlauf nun einen grundsätzlichen Angriff auf die Rechte von Versicherungskunden.
Der Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick erklärte, dass das Zinstief nicht als Begründung für entsprechende Gesetzesänderungen tauge, da nur sehr wenige Versicherer tatsächlich wegen zu hoher Zinsversprechen an ihre Kunden litten. Kürzungen bei den Beteiligungsreserven der Lebensversicherung seien allenfalls dann gerechtfertigt, wenn die einbehaltenen Beträge nachweislich dem Kollektiv der Versicherten und nicht dem Neugeschäft zugutekommen würden.
Die Regierungsposition: Neues Gesetzespaket für mehr Verbraucherschutz
Die Bundesregierung wehrt gegen den Vorwurf, mit den geplanten Maßnahmen einseitig die Versicherungswirtschaft zu entlasten. Finanzstaatssekretär Michael Meister (CDU) argumentiert, dass es dabei ausschließlich um den Verbraucherschutz sowie die Sicherung von Kundenansprüchen gehe. Derzeit stehe unter anderem zur Diskussion, die Kunden stärker an Risikogewinnen und Überschüssen zu beteiligen. Der Mindestbeteiligungssatz liegt derzeit bei 75 Prozent und könne möglicherweise auf 90 Prozent angehoben werden. 2012 ging es hier um ein Gesamtvolumen von rund 800 Millionen Euro, das laut Meister übrigens nicht aus riskanten Geschäften, sondern aus vorsichtigen Kalkulationen der Versicherer stamme. Kleinere Versicherungen könnte ein solcher Schritt allerdings durchaus an ihre finanziellen Grenzen treiben.
Seitens des Bundes sei außerdem eine Ausschüttungssperre im Gespräch. Anteilseigner von Versicherern, deren Garantiezusagen nicht mehr vollständig abgesichert sind, könnten in diesem Fall keine Dividenden mehr erwarten. Außerdem sollen die politischen Maßnahmen die Position der Finanzaufsicht gegenüber der Lebensversicherung stärken. Auch das Risikomanagement der Versicherer sowie "vorausschauende Unternehmenspläne" stünden künftig stärker im Fokus der Behörden. Auf der Agenda des Bundes für die Lebensversicherung stehen offenbar noch weitere Punkte, unter anderem die Senkung der Abschlusskosten für Policen, das Offenlegen von Provisionen sowie eine Obergrenze für den Garantiezins.
Im Gegenzug will die große Koalition die Lebensversicherung dadurch entlasten, dass die Unternehmen die Bewertungsreserven künftig komplett für sich behalten dürfen. Staatssekretär Meister sagt dazu, dass die Leistungsgarantien für die gesamte Versichertengemeinschaft gegenüber den Rendite-Interessen einzelner Versicherungsnehmer Vorrang haben. Der Bund der Versicherten vertrete in dieser Hinsicht lediglich eine kleine Lobbygruppe.
Verbraucher: Informationen beim Versicherer anfordern
Kunden, deren Versicherungspolice in diesem oder dem nächsten Jahr ausläuft, sollten jetzt kurzfristig handeln und sich bei ihrem Versicherer die aktuellen Vertragswerte, also der aktuelle Rückkaufswert mit ausgewiesenen Bewertungsreserven per Stand heute sowie der garantierte Ablaufwert zuzüglich der Bewertungsreserven und mögliche Schlussgewinnanteile bei Ablauf des Vertrages anfordern.
Eine vorzeitige Kündigung des Vertrages kann sich möglicherweise durchaus rechnen. Allerdings sollte man gleichzeitig die Kündigungsfristenabklären. So gibt es Fristen, die monatlich oder erst zum Versicherungsjahr einzuhalten sind. Fragen sie Ihren Honorarberater.
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