Es war 21:57 Uhr am 8. November 2012, die Sitzung dauert schon 13 Stunden. Knapp 30 (!) müde Bundestagsabgeordnete stimmen ohne Debatte unter dem Tagesordnungspunkt 22 (von insgesamt 40!) dem harmlosen SEPA Begleitgesetz zu. Was vermutlich kaum einer der parteiimprägnierten Abnick-Recken wusste: im gleichen Moment stimmte man dem moralisch ziemlich bedenklichen Huckepack-Gesetz zur Änderung (=Streichung!) der Beteiligung der Kunden einer Lebensversicherung an den stillen Reserven der Lebensversicherer zu. Die Versicherungswirtschaft hatte auf die Änderung gedrängt und offensichtlich irgendwie in letzter Sekunde diese Änderung reinschmuggeln können. Kann man das schon eine Bananenrepublik nennen?
Allein beim Marktführer werden ca. 16 Mrd € an stillen Reserven vermutet. Davon mussten nach einem BVG Urteil aus 2005 (1 BvR 80/95) seither mindestens 50% den Kunden gut geschrieben werden. Ab dem Inkrafttreten des Gesetzes am 21.12.2012 dürfte diese Beteiligung an den stillen Reserven auf Null sinken, da die Lebensversicherer ab dann - dank aktuell niedriger Zinserträge - schlicht alles behalten dürfen und, meine Prognose, auch werden. Aus mir schriftlich vorliegenden Fällen meiner Mandanten weiß ich, dass eine Kündigung zum 01.12.2012 eine bis zu 10% höhere Kapitalzahlung zur Folge hat (je nach Gesellschaft), als der reguläre Ablauf des Vertrags in 2013. Diese – nenen wir das Kind beim Namen – Enteignung des Kunden kann dann nominal auch mal 10.000,- € oder mehr bedeuten.
Kündigen kann man aber meiner Auffassung nach nur noch bis heute, 30.11.2012, zum Ende der Versicherungsperiode, also auf die nächste Zahlungsfälligkeit 01.12.2012. Pech dürfte haben, wer am 01.12. wegen anderer Zahlungsweise keinen Zahlungstermin, also auch kein Ende einer Versicherungsperiode hat. Zwar finden sich Meinungen, dass es genügen würde, die Kündigung des Vertrags bis zum 20.12.2012 auszusprechen, dafür gibt es aber meiner Ansicht nach keine Rechtssicherheit. Bei telefonische Auskunftsanfragen bei Versicherungsgesellschaften haben selbst fähige Sachbearbeiter zugegeben, dass sie in weiten Teilen noch keine Ahnung hätten, wie das alles letzlich gehandhabt werden soll.
Läuft Ihre Lebensversicherung in 2013 oder 2014 ab? Müssten Sie am 01.12.2012 noch einen Beitrag bezahlen oder ist Ihr Vertrag schon länger beitragsfrei gestellt? Und hat Ihr Vertrag zum 01.12.2012 bereits mindestens 12 Jahre Laufzeit? Dann sollten Sie vielleicht heute noch eine Entscheidung treffen. Rufen Sie bei Ihrem Versicherer an und fragen nach den beiden Werten: a) Rückkaufswert zum 01.12.2012 und b) voraussichtliche Ablaufleistung zum Ablauftermin inklusive aller Gewinne nach „neuer“ Rechtslage ab 21.12.2012. Falls Sie bei diesen Zahlen dann erschrecken sollten, überlegen Sie sich, ob die Kündigung die bessere Option wäre.
Ab hier sind lediglich Handlungsmöglichkeiten genannt, es handelt sich nicht um einen rechtlichen Rat und die Angaben konnten auch in keinerlei Weise auf Rechtssicherheit geprüft werden!
Die Kündigung muss dem Versicherer heute noch schriftlich zugehen. Häufig wird in der Rechtssprechung ein erfolgreiches Fax als schriftlicher Zugang gewertet (Faxprotokoll nicht vergessen!). Geben Sie die Kündigung persönlich ab, lassen sie sich den Empfang quittieren. Dies kann unter Umständen auch bei einem Ausschließlichkeitsvertreter (Haupt.oder Generelagent) Ihrer Gesellschaft rechtswirksam sein, da dieser nach laufender Rechtssprechung Auge und Ohr des Versicherers ist. Auch hier: lassen Sie sich vom Vertreter den Empfang schriftlich bestätigen.
Benötigen Sie zusätzlich noch Unterstützung bei der finanzmathematischen Interpretation Ihrer Zahlen? Dann fragen sie immer einen unabhängigen Berater, hier können Sie einen Honoraberater finden!