Entscheidungsfindung: So arbeitet das Gehirn guter Führungskräfte

Gehirne erfolgreicher Unternehmer arbeiten speziell, wie aktuelle neurologische Studien beweisen. Entscheidungsfindung läuft bei solchen Managern anders als bislang vermutet. Das Beste: Jeder kann lernen, sein Gehirn strategisch fit zu machen.


Führungskräfte

Entscheidungsfindung: Hirnforschung widerlegt Irrtümer

Erster Irrtum: Je höher der Zeitdruck, desto größer die Inspiration. Falsch, denn Deadlines lähmen Kreativität umso mehr, je dringender sie gebraucht wird. Irrtum Zwei: Vor allem für logisches Denken zuständige Hirnbereiche sind aktiv, wenn wir Probleme lösen. Nein, denn erfolgreiches strategisches Denken bedient sich verstärkt Intuition und Emotion, wie funktionelle Bildgebung jetzt prozessual sichtbar macht. Laut David Rock, Neuro Leadership Institute, erledigt unser Gehirn pro Moment nur eine Berechnung bewusst, aber Milliarden unbewusster Berechnungen. Auch haben nur zehn Prozent der Menschen ihre besten Ideen am Arbeitsplatz, 39 Prozent dagegen zu Hause.

Was geschieht im Gehirn bei der Entscheidungsfindung? Wissenschaftler fanden heraus, dass Fristen zu Aktionismus bei gleichzeitig eingeschränkter Denkweise verführen - und damit zu schlechteren Resultaten. Der selben Meinung ist Richard E. Boyatzis, Professor für Organisationsentwicklung, Psychologie und Kognitionswissenschaft, Case Western Reserve University Cleveland: Deadlines führen zu Stress. Zwar nimmt die Aktivität von Problemlösungsbereichen zu, aber es fehlt an originellen Ideen.

Ein Tunnelblick, abgeschottet gegen Lösungsalternativen, verführt dazu, alle Probleme schnellst zu lösen, statt deren Entstehung vorausschauend zu verhindern. Also Fristen abschaffen? Srini Pillay, Professor an der Harvard Medical und Coaching-Unternehmer der Neuro Business Group, rät Firmen, ihren Angestellten bei der Stressreduktion zu helfen - etwa durch Meditationen, die kreative Hirnareale ansprechen.

Faktoren, die die Entscheidungsfindung bestimmen 

Unsicherheit, etwa zur Zukunft der Firma, wirkt negativ auf die Entscheidungsfindung, weil für Angst stehende Hirnbereiche angesprochen werden. So trafen dreiviertel der Probanden zu pessimistische Prognosen, anstatt die Situation ihres Unternehmens durch mutige Investitionen zu verbessern. Pillay rät dazu, überzogene Reaktionen bei Unsicherheit zu akzeptieren. Außerdem könnten Manager ihre Entscheidungen jederzeit revidieren - was den Druck aus der Entscheidungsfindung nimmt und Manager wieder handlungsfähig macht.

Neben dem Sondieren von Fakten sollten Manager bei der Entscheidungsfindung ihrer Intuition vertrauen, so Roderick Gilkey, Professor für Management und Psychiatrie an der Emory University. Gilkey ließ erfahrene Führungskräfte Problemszenarien analysieren, während er ihre Gehirne per Kernspintomografie scannte. Das Ergebnis: Nicht das für logisches Denken zuständige präfrontale Kortex wurde besonders aktiv, sondern die Aktivität emotionalen und sozialen Denkens war deutlich stärker ausgeprägt. Fazit: Gute Strategen erfühlen Strategien der Entscheidungsfindung.

Für die Praxis könnte dies bedeuten, dass ein durchschnittlicher Stratege Mitarbeiter freistellt, um Kosten zu reduzieren - und dabei emotionale Reaktionen als persönliches Versagen ausklammert. Dagegen bezieht ein guter Stratege seine Gefühle mit ein, um den Effekt seiner Entscheidung auf Arbeitsmoral und Produktivität einzubeziehen - er sieht das Problem mit den Augen anderer.

Auch wird ein guter Manager nicht nur Anweisungen erteilen, sondern die davon Betroffenen mit einbeziehen. Allerdings falle es vielen schwer, zwischen analytischer und sozialer Entscheidungsfindung zu wechseln, so Matthew Lieberman, Psychologieprofessor an der University of California. Lieber halten wir an einem Denkstil fest, der Sicherheit gibt. Lieberman rät, in Meetings neben puren Zahlen auch die Stimmung im Konferenzraum zu registrieren.

Entscheidungsfindung: Eine Sache richtiger "Verdrahtung"

Wie es bestimmte Führungskräfte schaffen, andere zu inspirieren, beleuchtet Dr. Richard Boyatzis, indem er physiologische Dimensionen von Mitarbeiterführung betrachtet. Erinnern sich Studienteilnehmer an den Kontakt mit hervorragenden Führungskräften, werden Hirnareale für soziales Denken und positive Gefühle aktiv, ihr parasympathisches Nervensystem wird stimuliert.

Es ist also kein Weg, zusätzlichen Stress am Arbeitsplatz zu erzeugen. Lob dagegen schafft emotionale Bindungen (bei Boyatzis Resonanz genannt) und sorgt für zielstrebige Angestellte. Denn resonante Mitarbeiterführung weckt in jedem Mitarbeiter das beste Potenzial durch Aufmerksamkeit und Mitgefühl. So werden Unternehmen insgesamt belastbarer, anpassungsfähiger und nachhaltiger im Geschäftserfolg.

Wie unterscheiden sich die elektrischen Gehirnfunktionen guter von denen weniger guter Führungskräfte? David Waldman, Management-Professor an der Arizona State, fand heraus: Inspirierend wirkt, wer eine klare Vision verständlich formuliert, so dass sie gern mitgetragen wird. Manager, die zwischen Gehirnregionen Verbindungen herstellen können, sind bei der Entscheidungsfindung im Vorteil. Waldman will Menschen dazu anleiten, dies per Neurofeedback-Technik besser zu nutzen.

Während das Gehirn neue Prozesse erlernt, überwacht ein Computer die Gehirnaktivität. Sieht jemand einen Film an, sendet der Computer positive oder negative Verstärkungen: Zeigt das Gehirn des Probanden nicht das erwünschte Denkmuster, erscheint das Fernsehbild unscharf. Taucht das erwünschte Denkmuster auf, wird es scharf. So sollen Gehirne lernen, Mustern zu folgen, die mit positiver Verstärkung belohnt werden.

Langfristig soll ein trainiertes Gehirn Bereiche, die für visionären Führungsstil kennzeichnend sind, automatisch ansprechen können. Ausreichend erforscht, verspricht Neurofeedback und Computertraining Managern zu helfen, ihr Gehirn, so Waldman, "neu zu verdrahten". Durch Coaching begleitet, soll Neurofeedback zu einer wichtigen Technik avancieren, die Manager nicht zuletzt zu konstruktiverer Entscheidungsfindung befähigt.


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