Entscheidend für das Ausmaß der Risikovernichtung durch Streuung ist, wie parallel oder wie unterschiedlich die Kursentwicklung der Anlagen ist. Offensichtlich weisen manche Anlageobjekte ähnliche Kursverläufe (und damit Risiko-Rendite-Profile) auf, andere hingegen scheinen sich eher gegenläufig zu verhalten. Um die Enge des Zusammenhangs z.B. zwischen zwei verschiedenen Aktien X und Y zu ermitteln, bedient man sich der Kovarianz:
mit:
sX,Y = Kovarianz der Aktien X und Y
RX,Y = Renditen der Aktie X und Y
µX,Y = Erwartungswert der Renditen der Aktie X und Y
n = Anzahl der betrachteten Perioden
sA,B sei hier beispielhaft berechnet – dazu wieder unsere Tabelle mit bereits berechneten Werten:
| Anlage A | Anlage B | Anlage C |
2008 | 2,78% | 22,73% | 20,00% |
2009 | 2,70% | -7,41% | 25,00% |
2010 | 13,16% | 10,00% | -6,67% |
2011 | -2,33% | 9,09% | 14,29% |
µ | 4,1% | 8,6% | 13,2% |
s | 5,6% | 10,7% | 12,1% |
In einem ersten Schritt multiplizieren wir die aus der Kursentwicklung abgeleiteten Renditen jeder Periode miteinander und addieren diese:
2,78% x 22,73% + 2,70% x (-7,41%) + 13,16% x 10% + (-2,33%) x 9,09% = 1,535
Das arithmetische Mittel berechnen wir, in dem wir das Ergebnis durch die Anzahl der Perioden (hier 4) teilen:
1,535 : 4 = 0,384
Davon ziehen wir das Produkt der Erwartungswerte der Anlagen A und B ab:
0,384% – (4,1% x 8,6%) = 0,384% – 0,3526% = 0,0314%
Insgesamt erhalten wir folgende Kovarianzen:
sA,B = +0,03%
sA,C = -0,53%
sB,C = -0,3%
Die Kovarianz ist eine absolute Kennzahl für den Gleichlauf zweier Anlagen. Zur besseren Vergleichbarkeit erscheint es angebracht, den Gleichlauf zweier Anlageobjekte mit dem Korrelationskoeffizienten rX,V zu beschreiben. Der Bereich ist auf den Bereich von –1 bis +1 begrenzt und standardisiert.
Der Korrelationskoeffizient kann prinzipiell nur Werte zwischen -1 und 1 annehmen
- Ist rX,V genau gleich 1, so liegt eine vollständige positive Korrelation zwischen der Anlage X und dem Vergleichswert V vor, d.h. jeder Anstieg des Vergleichswertes V führt stets zu einem Ansteigen der Anlage X im gleichen Maß.
- Ist rX,V genau gleich -1, so liegt eine vollständige negative Korrelation zwischen der Anlage X und dem Vergleichswert V vor, d.h. jeder Anstieg des Vergleichswertes V führt unweigerlich zu einem Absinken der Anlage X im gleichen Verhältnis
- Ist rX,V gleich Null, so besteht kein linearer Zusammenhang zwischen den beiden Größen X und Y.
Für unsere Anlagen A, B und C ergeben sich somit folgende Korrelationskoeffizienten:
rA,B = 0,05
rA,C = - 0,8
rB,C = - 0,2
Wie kommt es aber nun zu dem bereits beschriebenem Effekt der Risikoreduzierung innerhalb eines Depots?
Die Kovarianz hat eine weitere sehr wichtige mathematische Bedeutung bei der Ermittlung des Erwartungswerts und der Volatilität eines zusammengesetzten Depots:
Formel für die Rendite für das Depot mit zwei Anlagen:
Formel für die Ermittlung des Portfoliorisikos:
mit: |
|
|
| XA | = Anteil der Anlage A am Gesamtdepot |
| XB | = Anteil der Anlage B am Gesamtdepot |
An der Formel für die Gesamtdepot-Volatilität (sDepot) erkennt man sehr deutlich, dass diese nicht nur aus den gewichteten Summen der Einzel-Volatilitäten der darin enthaltenen Anlagen besteht, sondern noch ein dritter Term (2 x sA,B x xA x xB) unter der Wurzel auftaucht, dessen wesentlicher Einflussfaktor die Kovarianz der beiden Anlageobjekte ist.
Zum besseren Verständnis wollen wir die Depotrendite und –volatilität anhand eines Zahlenbeispiels verdeutlichen. Wir ermitteln zunächst den Erwartungswert für ein Depot, das zu 70% aus Anlage A und zu 30% aus Anlage C besteht.
Setzen wir nun die Zahlen in die Formel für die Depotvolatilität ein:
Das arithmetische Mittel der Einzelvolatilitäten wäre aber:
(5,6% x 70%) + (12,1% x 30%) = 7,6%
Die Kovarianz der beiden Werte ist also dafür verantwortlich, dass die Gesamt-Depot-Volatilität (und damit auch das Risiko) tatsächlich nur bei 2,5% und damit um 5%-Punkte niedriger liegt!
Das Minimum-Varianz-Modell
Diese Berechnung berechnen wir für weitere Kombinationen, wobei wir den Anteil der Anlage A um jeweils um 10%-Punkte erhöhen und den der Anlage C entsprechend verringern.
Die Ergebnisse tragen wir im m-s-Diagramm ab:
Diese Form der nach rechts offenen halben Ellipse ist typisch für die Kombinationen von jeweils zwei beliebigen Wertpapieren.
Gehen wir von oben rechts der Position "100% Anlage C" aus: Durch Beimischung der Anlage A - auch nur in geringen Mengen - sinkt die Volatilität sofort. Diese Risikovernichtung "erkauft" man sich jedoch mit einem Verlust an Rendite. Bis zum Mischungsverhältnis von 70:30 lässt sich so die Volatilität stets reduzieren – in diesem Fall bis auf das Minimum von 2,5%. Diese Depotstruktur, die das geringste Risiko birgt, wird als „Minimum-Varianz-Portfolio“ bezeichnet.
Mischt man ab dann mehr der Anlage A hinzu, geht das Risiko nicht weiter zurück. Im Gegenteil, es steigt wieder, ohne dass die Gesamtrendite des Depots ansteigt.
Alle Punkte unterhalb der gestrichelten Linie bezeichnet man daher als risikoineffiziente Linie, da sich mit diesen nur niedrigere Renditen erzielen lassen, als mit Kombinationen oberhalb der gestrichelten Linie und das bei gleichem oder sogar noch höherem Risiko. Der obere Ast wird als riskoeffiziente Linie bezeichnet.
Für den klugen Investor verbleibt somit der obere Ast. Jede hier gewählte Kombination bedeutet, dass es keine andere Depotkombination der Anlage A und C gibt, die bei gegebenem Risiko eine höhere Renditeerwartung hat (oder bei gegebener Renditeerwartung ein geringeres Risiko).
Wo genau sich der einzelne Anleger wohlfühlt, ist abhängig von der individuellen Risikoneigung. Je risikofreudiger er ist, umso mehr wird er sich auf dem oberen Ast nach rechts bewegen.
Eine absolut wichtige Erkenntnis ist der Effekt, dass durch die Hinzunahme eines für sich genommen riskantes Papieres dennoch das Gesamtrisiko eines Depots gesenkt werden kann.
Wir sehen dies ganz deutlich in der letzten Grafik. Die Anlage A alleine hat ein relativ geringes Risiko von 5,6%. Die Anlage C dagegen muss mit einer Volatilität von 12,1% als riskant bezeichnet werden.
Würden Sie als risikoscheuer Anleger ohne die soeben vorgestellte Portfoliotheorie auf die Idee kommen, Anlage C beizumischen?
Wohl kaum!
Doch tatsächlich verringern Sie das Depotrisiko durch Hinzunahme von Anlage C deutlich von 5,6% auf bis zu 2,5% (Minimum-Varianz) – und steigern sogar noch Ihre Ertragserwartungen.
Ohne diese Kenntnisse würden Sie also unnötig ein zu hohes Risiko eingehen bzw. auf eine höhere Rendite verzichten.
Dazu ist es natürlich notwendig, Anlagen zu wählen, die untereinander eine geringe Korrelation haben, die also auf gleiche Ereignisse NICHT in gleichem Maße reagieren.
Dazu ein einfaches Beispiel:
Haben Sie aktuell eine Chemieaktie, werden Sie Ihr Risiko kaum senken können, wenn Sie die Aktie eines anderen Chemieunternehmens hinzukaufen. Denn beide Unternehmen dürften auf äußere Ereignisse (z.B. politische Entscheidungen im Gesundheitswesen) ähnlich reagieren. Die Beimischung einer Automobilaktie dagegen könnte da schon helfen. Allerdings reicht das in einem gut diversifizierten Portfolio natürlich noch nicht aus. Hier gilt es viele weitere Aspekte zu beachten.
Ein guter Rat: Lassen Sie sich von einem unabhängigen Finanzberater aufklären, der Ihnen alles in Ruhe und im Detail erklären wird. Er wird vorbereitend viele Fragen stellen zu Ihren Wünschen und Bedürfnissen, er wird Ihr Risikoprofil herausarbeiten und wird mit Ihnen dann die für Sie passende Depotstruktur unter Berücksichtigung obiger Erkenntnisse zusammenstellen.
Die durchdachte Zusammenstellung eines risikoeffizienten Depots (1)
Der Begriff der Rendite in der Portfoliotheorie (2)