Vermögen und Einkommen gelten als die zwei Größen, die Ökonomen regelmäßig zur Einschätzung des wirtschaftlichen Status heranziehen. Vor allem zur Einkommensverteilung gibt es eine fundierte Datenbasis - und amtliche Grenzwerte. Anhaltspunkt für die Erhebungen ist das mittlere bedarfsgewichtete Netto-Einkommen. Aus dem Verhältnis des Einkommens zu dieser Rechengröße, die jährlich neu erhoben wird, leitet die Bundesregierung die Einkommensverteilung in ihrem Armuts- und Reichtumsbericht ab.
Die sogenannte deutsche Oberschicht ist ziemlich dünn
Mit einem Netto-Einkommen von 3.100 Euro beginnt für Singles schon der Reichtum, für Paare gelten 4.600 Euro als Grenze, die sich aus dem Doppelten des mittleren bedarfsgewichteten Netto-Einkommens ableitet. Das bedeutet, dass nur rund acht Prozent der Deutschen zur Oberschicht gezählt werden können, die große Mehrheit von 92 Prozent fällt durch dieses zugegebenermaßen grobe Raster.
Eine weitere Grenze wird beim Dreifachen der statistischen Ausgangsgröße angesetzt: Für den Single bedeutet das 4.700 Euro im Monat netto, die nur noch von rund 1,5 Prozent der deutschen Bevölkerung erzielt werden. Die meisten dieser Top-Verdiener sind sich ihrer besonderen Position und der ungleichen Einkommensverteilung gar nicht bewusst, letztendlich verdienen 98,5 Prozent teilweise deutlich weniger.
Kein ausgesprochen deutsches Phänomen - gefühlte Ungleichheit
Welcher Ingenieur, Lehrer oder Arzt zählt sich zu den Reichsten des Landes, wenn er am Monatsende sein Gehalt auf dem Konto verbucht? Die Wahrnehmung der eigenen Situation ist eine ganz andere und beruht auf der fehlenden Kenntnis der realistischen Einkommensverteilung, wie einschlägige Umfragen und Untersuchungen belegen. So befasst sich beispielsweise das Deutsche Institut für Wirtschaft in Köln mit diesem Phänomen, das vor allem die politische Auseinandersetzung um Ungleichheit so schwierig macht.
Eine internationale Untersuchung in 35 Ländern, die Daniel Treisman, Professor an der University of California, gemeinsam mit Vladimir Gimpelson auswertete, ergab, dass nur sieben Prozent der Befragten über ein Auto, eine Wohnung und eine weitere Immobilie verfügen - in Deutschland nur sechs Prozent. Diese zur besseren Oberschicht zählenden Personen sahen sich selbst aber nicht so, sondern eher der Mittelschicht zugehörig. Rund 60 Prozent der Betroffenen verorteten sich sogar in der ärmeren Hälfte der Gesellschaft.
Dieses Missverhältnis zwischen realistischer und gefühlter Einkommensverteilung birgt das Risiko, die falschen politischen Maßnahmen zu unterstützen: Besserverdienende Befürworter einer stärkeren Umverteilung könnten schnell ihre Motivation verlieren, wäre ihnen bewusst, dass auch sie dann einen Teil abgeben müssten.