Billiges Öl - nicht nur vorübergehend
Noch vor nicht allzu langer Zeit wurde die absehbare Erschöpfung der weltweiten Ölreserven prophezeit, mit entsprechenden Folgen für den Ölpreis. Doch dann kam das Fracking in den USA und Ölförder-Technologien wurden so weiterentwickelt, dass auch bisher nicht erreichbare Reserven erschlossen werden können. Damit wird das Aus für die Ölförderung erst einmal um Jahrzehnte in die Zukunft verschoben, der Druck auf den Ölpreis nimmt ab.
Gleichzeitig zeigen die Anstrengungen für mehr Energieeffizienz und Energieeinsparung allmählich Wirkung. Heute wird für die gleiche Wirtschaftsleistung weniger Öl benötigt als früher. Es spricht daher einiges dafür, dass der niedrigere Ölpreis nicht nur ein vorübergehendes Phänomen ist, sondern länger bestehen bleiben wird.
Globale Umverteilung als Folge
Damit ergeben sich zwangsläufig Auswirkungen auf die Weltwirtschaft mit sehr unterschiedlichen Folgen für Ölexporteure und -importeure. Industrieländer, die auf den Ölimport angewiesen sind, erhalten durch das billigere Öl de facto ein kostenloses Konjunkturprogramm. Der niedrigere Ölpreis entlastet die Haushaltskassen der Verbraucher unmittelbar und regt den Konsum an. Gleichzeitig wirkt er sich günstig bei Produktions- und Transportkosten aus. Der Effekt erreicht im weltweiten Maßstab mehrere Billionen Dollar.
Das ist gleichzeitig der Betrag, der den Ölförderländern - unveränderte Produktion vorausgesetzt - verlorengeht. Die reichen Ölproduzenten wie die Golfstaaten werden damit leben können, ohne große Abstriche machen zu müssen. In anderen Ölförderländern sieht das anders aus. Die ärmeren Ölländer - zum Beispiel Nigeria, Indonesien oder Venezuela - sind auf die Einnahmen aus dem fossilen Brennstoff dringend angewiesen.
Hier könnte der anhaltend niedrige Ölpreis die wirtschaftliche Entwicklung bremsen, Rezessionen auslösen sowie politische und soziale Spannungen vergrößern. Auch eine wachsende Staatsverschuldung könnte die Folge sein. Der niedriger Ölpreis bewirkt also eine Umverteilung des wirtschaftlichen Wohlstands rund um den Globus.
Ölkonkurrenz für erneuerbare Energien
Mengeneffekte sind ebenfalls denkbar. In den USA geht die Kalkulation vieler Fracking-Firmen bei dauerhaft niedrigeren Preisen nicht mehr auf, das könnte die Förderung reduzieren. Inwieweit die weltweite Ölförderung aufgrund des Preisverfalls zurückgehen wird, lässt sich schwer sagen. Hier spielen nämlich nicht nur marktwirtschaftliche Mechanismen, sondern auch unterschiedliche ökonomische und politische Interessen eine Rolle.
Für erneuerbare Energien kann der niedrige Ölpreis zur Belastung werden. Billigeres Öl macht "grüne" Formen der Energieerzeugung weniger lohnend, ein Effekt, der unter Umweltschutz-Gesichtspunkten unerwünscht ist.