Bei Wahl der Rente ist es für die eigene Konsumplanung egal wann man stirbt. Wählt man die Einmalzahlung und möchte das Kapital im Laufe des Lebens nach 65 aufbrauchen, so muss man eine Annahme treffen, bis wann es aufgebraucht sein darf. Lebt man länger bleibt einem dann nur noch die Hilfe der Kinder oder des Staats.
Die Entscheidung zwischen Einmalzahlung und Rente ist außerordentlich wichtig. Die steigende Lebenserwartung in Kombination mit einem sinkenden tatsächlichen Rentenalter macht diese Entscheidung zu einer der wichtigsten ökonomischen Entscheidungen die Privatpersonen im Laufe eines Lebens treffen. Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es einige Gründe, die jeweils für oder gegen die Absicherung des Langlebigkeitsrisikos sprechen.
Wahrscheinlichkeit älter zu werden als | Männer | Frauen |
70 Jahre | 92,0% | 95,8% |
80 Jahre | 65,2% | 79,1% |
85 Jahre | 44,6% | 61,6% |
90 Jahre | 23,2% | 37,1% |
100 Jahre | 1,3% | 3,0% |
Tabelle 1: Erlebenswahrscheinlichkeiten im Alter von 65. Quelle: Sterbetafel 2011 des statistischen Bundesamts
Rationale Motive
1) Vererbungsmotiv
Das Vererbungsmotiv spielt eine zentrale Rolle bei der Wahl zwischen einer monatlichen Rente und einer Einmalzahlung (Purcal und Piggott, 2008). Würde jemand sein ganzes Vermögen gegen eine monatliche Rente eintauschen, so würden seine Nachkommen kein Erbe erhalten, da die Rentenzahlungen im Normallfall mit Tod des Begünstigten eingestellt werden. Ein starkes Vererbungsmotiv spricht demnach für die Wahl der Einmalzahlung.
2) Familie
Kotlikoff und Spivak zeigen in einem Aufsatz aus dem Jahre 1981, dass die Familiengröße für einen rationalen Entscheider bei der Wahl zwischen Einmalzahlung und Rente eine wichtige Rolle spielt. Dieser Effekt kann durch mehrere Faktoren erklärt werden. Zum einen haben verheiratete Paare mit größerer Wahrscheinlichkeit Kinder als unverheiratete oder alleinstehende Personen und dadurch auch ein stärkeres Vererbungsmotiv. Zum anderen spielt die Familiengröße aber auch direkt eine Rolle für die Notwendigkeit der Versicherung gegen Langlebigkeit. Die Gefahr, dass durch ein sehr langes Leben die Ersparnisse aufgebraucht werden und sich der Lebensstandard dadurch deutlich verschlechtert, ist für Personen mit einer großen Familie geringer. Im Normalfall kann man davon ausgehen, dass eine Familie ihre Mitglieder in Notsituation unterstützt.
3) Unerwartete Ausgaben
Sowohl in der Theorie als auch empirisch zeigt sich, dass die Möglichkeit für unerwartete Ausgaben, wie zum Beispiel eine teure Operation, die Nachfrage nach Rentenversicherungen senken kann (siehe Horneff et al., 2009 sowie Pang und Warshawsky, 2010).
4) Lebenserwartung, Preise und Adverse Selektion
In der Realität werden keine fairen Rentenversicherungen angeboten, sondern es besteht ein Abschlag, der je nach Versicherung zwischen 10% und 20% beträgt (siehe z.B. Mitchell et al.,1999). Dieser Abschlag wird hauptsächlich durch 2 Aspekte verursacht: 1) dem Versicherungsunternehmen entstehen Verwaltungskosten, welche an den Kunden weitergegeben werden. 2) Zum Großteil wird der Abschlag allerdings durch die Kosten der adversen Selektion verursacht (siehe Murthi et al., 1999). Da sich eine Rentenversicherung aus Sicht der Versicherten insbesondere dann bezahlt macht, wenn man erwartet sehr lange zu leben, werden in erster Linie Personen mit einer hohen Lebenserwartung die Versicherung abschließen. Da aber nun die durchschnittliche Lebenserwartung der Versicherten größer ist als die in der Gesamtbevölkerung plant die Versicherung einen Puffer ein und kalkuliert mit einer höheren Lebenserwartung. Dies führt letztendlich dazu, dass die monatliche Zahlung geringer ausfällt. Zudem dürfen in Deutschland seit dem 21.12.2013 nur noch Unisex‐Tarife angeboten werden. Dies bedeutet, dass die Versicherung mit derselben durchschnittlichen Lebenserwartung für Männer und Frauen rechnen muss. Da Frauen im Durchschnitt länger leben als Männer, lohnt sich die Rentenversicherung für Frauen mehr.
5) Produkte und Konsumpfad
Der Großteil der angebotenen Rentenversicherungen zahlt die Rente in konstanten monatlichen Beträgen aus. Davidoff et al. (2005) zeigen, dass dies die Attraktivität der Rentenversicherung deutlich senken kann. Wünscht der Versicherte einen Konsumpfad, welcher von konstanten monatlichen Beträgen abweicht, so wird er die Einmalzahlung präferieren. Es wäre zum Beispiel denkbar, dass ein abnehmender Konsumpfad in der Rente gewünscht wird, da zu Beginn ein erhöhter Konsum durch Reisen, Ausflüge und andere Tätigkeiten besteht.
6) Gesetzliche Rente / Betriebliche Altersversorgung
Die gesetzliche Rente kann in Deutschland in voller Höhe (ohne Abzüge) zwischen dem 65. und 67. Lebensjahr in Anspruch genommen werden. Dabei wird die Rente in monatlichen fixen Beträgen ausbezahlt. Für die Wahl zwischen einer Rente und einer monatlichen Zahlung sollten die Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie der betrieblichen Altersvorsorge demnach eine entscheidende Rolle spielen. Ist das Langlebigkeitsrisiko bereits ausreichend abgesichert, so kann es durchaus optimal sein einen Großteil der privaten Altersvorsorge als Einmalzahlung ausbezahlt zu bekommen.
7) Ausfallrisiko der Versicherung
Bei der Wahl der Rente besteht ein Risiko, dass das gewählte Versicherungsunternehmen auf die Rentenzahlung ausfällt. Babbel und Merrill (2007) zeigen, dass dieses Ausfallrisiko theoretisch einen starken Einfluss auf die Entscheidung zwischen Rente und Einmalzahlung haben sollte. In der Praxis in Deutschland kann diese Überlegung jedoch nahezu vernachlässigt werden. Vergleichbar mit der staatlichen Einlagensicherung für Bankeinlagen, gibt es im Versicherungsbereich ebenfalls eine Sicherungseinrichtung.
Zusammenfassung
Es gibt aus wissenschaftlicher Perspektive sieben wichtige Faktoren, welche die Entscheidung für oder gegen eine Rentenversicherung beeinflussen. Dabei beziehen sich die fünf Faktoren Vererbungsmotiv, Absicherung durch die Familie, unerwartete Ausgaben, Lebenserwartung und Absicherung durch die gesetzliche bzw. betriebliche Altersvorsorge auf den Entscheider selbst. Die angebotenen Produkte sowie das Ausfallrisiko der Versicherung hingegen sind marktseitig gegeben.
Verhaltenswissenschaftliche Faktoren, wie die Darstellung des Entscheidungsproblems (Framing) und die persönliche Einstellung gegenüber Verlusten (Verlustaversion), können einen impliziten Einfluss auf die Entscheidung haben. Hier ist es wichtig, sich möglichen Problemen, die durch diese beiden Faktoren verursacht werden können, bewusst zu sein, um so eine weitsichtige Entscheidung treffen zu können. Diese verhaltenswissenschaftlichen Faktoren werden im aktuellen Band der Behavioral Finance Group detaillierter betrachtet.
Zum Weiterlesen
Philipp Schreiber und Martin Weber, Kapital oder Rente? Auszahlungsoptionen der Rentenversicherung, Forschung für die Praxis, Band 25, Behavioral Finance Group, Universität Mannheim.
Literaturangaben
Babbel, D. F. and C. B. Merrill. 2007. Rational decumulation. Working Paper.
Davidoff, T., Brown, J.R., Diamond, P.A., 2005. Annuities and individual welfare. The American Economic Review 95, 1573–1590.
Horneff, W.J., Maurer, R.H., Mitchell, O.S., Stamos, M.Z., 2009. Asset allocation and location over the life cycle with investment‐linked survival‐contingent payouts. Journal of Banking & Finance 33, 1688–1699.
Kotlikoff, L.J., Spivak, A., 1981. The family as an incomplete annuities market. Journal of Political Economy 89, 372–391.
Mitchell, O.S., Poterba, J.M., Warshawsky, M.J., Brown, J.R., 1999. New evidence on the money’s worth of individual annuities. The American Economic Review 89, 1299–1318.
Murthi, M., Orszag, J.M., Orszag, P.R., 2000. The value for money of annuities in the U.K.: Theory, experience and policy. Journal of Pensions Management May 2000.
Pang, G., Warshawsky, M., 2010. Optimizing the equity‐bond‐annuity portfolio in retirement: The impact of uncertain health expenses. Insurance: Mathematics and Economics 46, 198–209.
Purcal, S., Piggott, J., 2008. Explaining low annuity demand: An optimal portfolio application to Japan. Journal of Risk and Insurance 75, 493–516.
Quelle: ARERO Newsletter mit freundlicher Genehmigung von Dr. Christian Ehm