Unternimmt man den Versuch, den Wohlstandseffekt einer Kanzlerschaft objektiv zu messen, benötigt man einen geeigneten Maßstab. Ein Maß kann der sogenannte "Elendsindex" sein. Dieser vom amerikanischen Ökonomen Arthur Okun entwickelte Index fasst die Arbeitslosenquote und die Inflationsrate einer Volkswirtschaft zusammen. Der Gedankengang dahinter ist simpel: je höher die Arbeitslosigkeit und die Inflation sind, umso mehr mangelt es an Wohlstand. Umgekehrt gilt, je niedriger der Elendsindex ausfällt, umso höher ist der Wohlstand.
Das ist zugegeben nicht sehr differenziert und lässt sich auch kritisieren. So führt Inflation nicht automatisch zu "Verelendung", wenn die Wirtschaft auch nominal stark wächst. Und Arbeitslosigkeit kann nicht nur Folge schlechter wirtschaftlicher Entwicklung sein, sondern auch von Anpassungsprozessen und vorübergehenden Ungleichgewichten. Aber als "grobes" Maß taugt der Elendsindex schon.
Unter Angela Merkel dramatische Wende zum Besseren
Nimmt man den Index als Erfolgsmaßstab, dann war die kurze Kanzlerschaft von Kurt-Georg Kiesinger die bisher erfolgreichste. Mit 3,3 im Durchschnitt erreichte der Elendsindex während der ersten Großen Koalition seinen bisher niedrigsten Wert. Nicht viel schlechter "performte" Ludwig Erhard mit 3,8 in seiner dreijährigen Kanzlerschaft. Ebenfalls recht gute Werte weisen Willy Brandt (6,4) und Konrad Adenauer (6,6) auf. Schlusslichter sind dagegen Gerhard Schröder (12,8) und Helmut Kohl (11,8). Helmut Schmidt (9,5) und Angela Merkel (9,8) schneiden aber auch nicht berauschend ab.
Ein etwas anderes Bild ergibt sich, wenn die Veränderung des Indexes während einer Amtszeit zugrunde gelegt wird. Hier mussten die Kanzler Brandt (+6,3), Schmidt (+3,5), Schröder (+2,2) und Erhard (+0,2) Veränderungen zum Schlechteren verzeichnen. Der Elendsindex stieg während ihrer Kanzlerschaft an. Erfolgreich agierten dagegen Kohl (-1,0), Adenauer (-1,6), Kiesinger (-1,8) und Merkel (-6,3). Die Amtszeit von Angela Merkel steht damit für die bisher dramatischste Veränderung zum Besseren in der Geschichte der Bundesrepublik.
Nicht nur die Ökonomie zählt
Allerdings sollte diese Erfolgsbilanz auch nicht überbewertet werden. Der Erfolg einer Kanzlerschaft hängt schließlich nicht nur von rein ökonomischen Ergebnissen ab. Die Fähigkeit zum Krisenmanagement zählt ebenso wie der Umgang mit (außen-)politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen. Hier mag die "Rangfolge" im Gesamtbild anders aussehen. Mancher Kanzler profitierte dabei von der "Vorarbeit" seiner Vorgänger - auch die jetzige Bundeskanzlerin.