Aushebelung der Marktgesetze
Eigentlich sollte die Preisbildung an den Märkten nur nach den Gesetzen von Angebot und Nachfrage erfolgen. Was ist aber, wenn Marktakteure versuchen, die gehandelten Mengen künstlich zu ihren Gunsten zu beeinflussen? Das geschieht derzeit bei wichtigen Industrierohstoffen - so vermuten zumindest viele Analysten.
Rohstoffe fließen in Schattenlager ab
Normalerweise werden nicht benötigte Rohstoffe im Lagersystem der London Metal Exchange (LME) verwahrt. Die Marktakteure hatten dank der erfolgenden Regulierung bislang einen halbwegs transparenten Überblick über die gelagerten Metallmengen und konnten daher einigermaßen zuverlässig Preisentwicklungen abschätzen. Seit einiger Zeit wird die Lagerung aber immer mehr außerhalb des LME-Systems durchgeführt. Ein Argument dafür sind die niedrigeren Lagerkosten. Die überwachte LME-Lagerung ist zehnmal teurer als die Auslagerung. Noch viel stärker dürften aber spekulative Absichten überwiegen.
Unübersichtliche Lagerhaltung
Dahinter stecken vor allem Rohstoffhändler, Hedgefonds und einige bekannte Investmentbanken. Die Mengen der in sogenannten Schattenlagern rund um den Globus deponierten Rohstoffe bleiben dabei verborgen. Es gibt nur Vermutungen. Bei Aluminium zum Beispiel schätzen Experten, dass aktuell nur noch ein kleinerer Teil der Lagermengen sich im LME-System befindet. Auch bei anderen Rohstoffen verschieben sich die Gewichte. Mehr und mehr Metalle fließen in die Schattenlager. Zum Teil gehören die Akteure sowohl zum LME- als auch zum Schattensystem. Das macht die Lage besonders unübersichtlich.
Rohstoffe immer unsicherer
Für die Funktionsfähigkeit der Rohstoffmärkte ist das keine gute Nachricht. Die Reservebildung außerhalb der LME erschwert eine nachhaltige Preisbildung. Die Kursvolatilität nimmt zu und das Risiko auf Anbieter- und Nachfrageseite wird größer. Die Rohstoffpreise sind immer schwerer kalkulierbar. Unvorhergesehene Kursauschläge belasten bei steigenden Preisen für Rohstoffe vor allem die Anwender; ihre Produktionskosten schnellen nach oben. Sinkende Preise sind dagegen für die Förderindustrie nachteilig, ihre Umsätze brechen dann ein. Wachsende Unsicherheit hat in der Regel immer einen Preis, den letztendlich die Verbraucher bezahlen müssen. Denn sie sind die Endabnehmer der produzierten Güter.